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Genre-Check: Jazz aus Österreich

Zehn heimische Künstler und Formationen der jungen Jazz-Generation, die du kennen solltest.
Autor: Christoph Wagner
7 min readveröffentlicht am
David Helbock

David Helbock

© Astrid Dill

In diesem Genre-Check wollen wir uns einer der spannendsten und einflussreichsten Musikrichtung der letzten 100 Jahre widmen: dem Jazz. Bevor wir die junge umtriebige heimische Szene beleuchten, gibt es noch ein paar Facts zur österreichischen Jazzgeschichte.
Wann gab es das erste Mal Jazz in der Alpenrepublik zu hören?
Nach dem zweiten Weltkrieg importierte die amerikanische Besatzung Jazz in die, vor allem was afroamerikanische Musik betrifft, konservative österreichische Musiklandschaft. Es fanden sich begeisterte Fans, wie zum Beispiel Joe Zawinul in den Jazz-Clubs der GIs und vor dem Radio, aus welchen der von den Amerikanern bespielte Sender „Blue Danube Network“ eine ganz neue Art von Musik unter die Hörer brachte.
Wer waren die ersten auch international bekannten Jazzer?
Die Austrian Allstars rund um Hans Salomon, Karl Drewo und Joe Zawinul waren die erste österreichische Jazz-Band, die international für Aufsehen sorgte. 1956 erreichten sie eine Platzierung im Downbeat Critics Poll, was für diese Zeit schon außergewöhnlich war. Joe Zawinul entschloss sich in der Folge, in die USA zu gehen. Der Erdberger machte sich mit Kompositionen für Miles Davis oder Julian „Cannonball“ Adderley („Mercy, Mercy, Mercy“) einen Namen. Mit seiner Band Weather Report war er maßgeblich am Entstehen des Fusion-Jazz beteiligt. Nicht ohne Grund wird er oft als einer der einflussreichsten Jazz-Musiker des 20 Jahrhunderts genannt.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte ernteten Jazzmusiker wie Wolfgang Muthspiel, Wolfgang Puschnig oder der Gitarrist Karl Ratzer großen Respekt über die Landesgrenzen hinaus. Einige der erfahrenen Künstler, wie der Saxophonist Max Nagl und der Trompeter Franz Hautzinger sind auch immer wieder im Umfeld der jungen Szene, wie zum Beispiel der Jazzwerkstatt Wien und Elektro Guzzi zu hören und sehen.
Im Schatten dieser Musiker ist die letzten Jahre eine junge eklektische Jazz-Szene herangewachsen, die dem Grundgedanken des Jazz treu bleibt, sich aber nicht scheut, Genregrenzen zu überschreiten. In deren Musik sind Improvisation, Individualität und Freiheit deutlich hör- und spürbar. Der englische Radiohost und Tastemaker Gilles Peterson äußerte sich schon des öfteren sehr begeistert über die in den letzten Jahren heranwachsende österreichische Szene!
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Mario Rom´s Interzone

Interzone spielt Jazz. So richtigen Jazz. Allerdings ist ihr Motto „Alles ist erlaubt“ auch wirklich Programm und von ihrer einzigartigen Bühnenenergie konnte man sich in den letzten 2 Jahren von Europa über Mexiko, China, Israel bis in die USA ein Bild machen.
Das Jazzpodium beschreibt Mario Rom als „absolute Entdeckung“ und DIE ZEIT beschreibt sie wie folgt: „3 junge Wilde, von einem Leben gezeichnet, das sie noch nicht haben konnten, zu allem entschlossen.“ Ihr aktuelles, sehr gelungene Album heißt „Everything is Permitted“.

Judith Ferstl

Die seit 2008 in Wien lebende Künstlerin ist als Kontrabassistin und Komponistin in verschiedensten Formationen zu hören, die sich mit unterschiedlichen Stilrichtungen und Themen auseinandersetzen.
Bei „chuffDRONE“, „klio“, dem „Klangzeugorchester“ und „TREEOO“ stehen Eigenkompositionen und Improvisationen im breiten Feld des zeitgenössischen Jazz im Vordergrund, die auch Einflüsse aus anderen Stilen zulassen. Kleinen Besetzungen, wie im Duo mit Lucia Leena („Juneberry“), bei dem Texte in freie Improvisationen und gemeinsam erarbeitete Kompositionen eingearbeitet werden, stehen größeren Formationen wie „Gnigler“ mit zwei Saxophonen, Trompete, Schlagzeug, Geige und Kontrabass gegenüber.

NAMBY PAMBY BOY

Der Saxophonist Fabian Rucker, der Pianist Philipp Nykrin und der Schlagzeuger Andreas Lettner spielten, hörten und erforschten von Kindesbeinen an gemeinsam die Musik von Strawinsky bis Monk, Aphex Twin und Arvo Pärt, Dylan und J Dilla und entwickelten dabei ein gesundes Missfallen für Begriffe wie “Genre” oder aber “Stilistischer Purismus“.
Eine mit diesen Konzepten übersäte musikalische Landschaft überblickend, gründeten sie NAMBY PAMBY BOY (zu dt. Muttersöhnchen) um die erdrückende Belastung, die diese Worte repräsentieren zu umgehen. 2014 produzierten sie ihr zweites Album, „Greatest Hits Vol. 2“, das ihre Reise des Undefinierbaren weiter fortsetzt. Ihre Musik spricht für sich, ohne dabei etwas Bestimmtes sein zu wollen. Brennende Gitarren, Bässe aus Stahl und Dampfmaschinen aus Saxophon - all das hat einen richtigen Namby Pamby Boy bewegt. Es ist Jazz, es ist Rock, es ist 80er Pop. Im April 2016 veröffentlichten sie ihr nach der Band benanntes Album „Namby Pampy Boy“ auf dem international renommierten Londoner Independent-Label Babel.

Kompost 3

Seit 2009 machen die vier Wahlwiener gemeinsam Musik. Was damals in einer WG im 3.Wiener Bezirk entstand, kann aktuell als eine der spannendsten jungen Formationen der österreichischen Jazz & Impro-Szene angesehen werden.
2010 erschien ihr Debütalbum "Kompost 3". Konzerte in ganz Europa, Mexiko und den USA folgten. Drei Jahre später erschien das zweite Studio-Album „Epigenesis" und im Frühjahr 2015 der aktuelle Longplayer „Ballads For Melancholy Robots". Vor kurzem unternahm die 4-köpfige Band gemeinsam mit Mira Lu Kovacs, Sängerin und Komponistin der FM4 Amadeus-Award-Gewinner Schmieds Puls, mit dem Track „Anthem" einen Exkurs in luftigen, cinemaskopischen Downbeat-Pop. 2014 gewann die Formation den renommierten Jazzwettbewerb „Bremer Jazzpreis 2014“

Ángela Tröndle

Ángela Tröndle ist Vollblutmusikerin. Sie singt mit charismatischer Stimme mal dunkel-melancholisch, dann wieder glockenhell. Sie begleitet sich dabei selbst, am Klavier oder mit der Zigarren-Kisten-Gitarre, oder wird von ihrer Band unterstützt.
In den vergangenen 10 Jahren stand sie mit zahlreichen Projekten auf verschiedensten Bühnen, die sich geografisch von Wien nach Kasachstan über Peking bis nach Mexiko und die USA erstreckten.

David Helbock

Seit 2010 sorgte der vielfach ausgezeichnete 30-jährige Pianist vor allem mit seinem Trio Random/Control international für Aufsehen. Auch Helbocks aktuelles Trio zeigt unkonventionelle und humorvolle Facetten. Raphael Preuschl zupft nicht etwa Kontra- oder E-Bass, sondern eine Bass-Ukulele.
„Sie klingt sehr laut und perkussiv, in gewisser Weise recht afrikanisch, was gut zu meiner Musik passt", freut sich David Helbock. Entsprechend dynamisch spielt Reinhold Schmölzer sein Schlagzeug – in lyrischen Passagen ausgesprochen sensibel, in schnellen Momenten mit pointierter Energie und harten Beats, die sich fast schon Rock-Ästhetik nähern.
Eine Zeit lang suchte ich nach neuen Sounds und probierte viel aus. Letztlich kam ich aber zu dem Ergebnis, dass ich interessantere Klänge kreieren kann, indem ich die Klaviersaiten manipuliere
, beschreibt David Helbock seine derzeitige Fokussierung auf die mechanischen Möglichkeiten des Flügels. Das neue Album, das sich mit Mythologie beschäftigen wird, wird im Herbst bei ACT Music erscheinen.

Clemens Wenger

Der Jazz-Freigeist hat mit seinen 33 Jahren eine dicht gefüllte Musikgeschichte, unter anderem als Gründer und Leiter der JazzWerkstatt Wien, als ein Kopf der Wiener Soul-Band 5/8erl in Ehr'n, als Musiker/Komponist/Labelbetreiber/Festivalleiter und in Bands und Künstlerkollektiven rund um zeitgenössische Musik, Jazz, Pop und Elektronik hinter sich.
In seinem ersten Solo-Album „Neapel“ ist Clemens Wenger der Wiener Klassik so nahe wie dem Sound des elektronischen Musiklabels Affine Records. MusicAustria schreibt über das musikalische Chamäleon der Wiener Musikszene: „Egal ob es ihn nun in den Jazz, die Elektronik, die Weltmusik, in die Klangkunst oder Elektroakustik, in die Computermusik, Neue Musik oder in das Wienerlied treibt, er versteht es, in welchem Kontext auch immer, eigene Akzente zu setzen.“

Maja Osojnik

Wandlungsfähigkeit trifft auch bei der aus Slowenien stammende Sängerin, Flötistin und Komponistin Maja Osojnik zu. Die seit Mitte der Neunzigerjahre in Wien lebende Künstlerin bewegt sich gekonnt zwischen unterschiedlichen Klangwelten: von alter zu neuer Musik, Improvisation zu Experimental und von Folk zu Industrial.
Nach fünfzehn Band-Alben veröffentlichte sie im Ferbruar dieses Jahres ihr erstes Solo-Album „Let Them Grow“. Das Groove-Magazin schrieb über ihr Debüt: „Let Them Grow verfremdet halbwegs eingängige Chansons und Folksongs mit teils heftiger elektroakustischem Sounddesign zu einer Art radikalem und heftigen Kammer-Pop.“

THE RUFF PACK

„Vienna meets Brooklyn“ - THE RUFF PACK besteht aus Musikern, die die gleiche Leidenschaft für Musik teilen. Die Band mixt die Komplexität von Improvisation und Komposition des Jazz mit dem erdigen, rauen Groove und der frenetischen Energie des HipHop.
THE RUFF PACK basieret auf der klassischen Jazz Gitarren Trio Konstellation und bringt Instrumental HipHop auf ein neues Level. Stephan Kondert und Matthias Löscher alias Matt Pedals arbeiten seit 15 Jahren in verschiedenen Projekten miteinander. Mit Daru Jones war die perfekten Besetzungen als Schlagzeuger für diese musikalische Vision gefunden. Jones war nicht nur der Drummer von Jack White, sondern ist einer der „go-to-drummer“ im amerikanischen Hip-Hop.
Das Trio gastierte bereits in legendären Avenues, wie dem Blue Note Jazz Club in New York oder dem Fillmore in San Francisco. THE RUFF PACK sind am 20.Mai mit ihrer neuen EP „Beats by TRP“ im Jazzclub Porgy & Bess live zu Gast.

Nebenzimmer Sessions

Die Nebenzimmer Sessions bewegen sich mit improvisierte Beats zwischen Jazz, HipHop und Electronic Funk. Darius Edlinger, der Kopf und Gitarrist des Projektes, organisiert seit mehreren Jahren eine monatliche Club-Reihe - unter anderen im renommierten Jazzclub Porgy & Bess.
Um den Stamm der Band finden sich immer wieder spannende Gastmusiker wie Sixtus Preiss oder Elektro Guzzi Bassist Jakob Schneidewind auf der Bühne. Zuletzt konnte man sie live am United Islands Festival in Prag und am Popfest Wien erleben. Sie standen bisher gemeinsam mit internationalen Artists wie Anderson.Paak, Lylit, Khary auf einer Bühne und kollaborieren regelmäßig mit nationalen Acts.