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Antilopen Gang: „Punk braucht keine Brillenträger“

Danger Dan, Koljah und Panik Panzer über Pizza mit Kaugummi, Musikjournalisten und Körpervergleich.
Autor: Markus Schwarz
9 min readveröffentlicht am
„Anarchie und Alltag“ erscheint am 20. Januar

„Anarchie und Alltag“ erscheint am 20. Januar

© Robert Eikelpoth

Ein riesiger Bürohund wartet mit mir auf das Interview, da sich der Zeitplan an Promoterminen immer ein wenig nach hinten verschiebt. Aus dem Nebenraum höre ich immer wieder ein lautes Lachen, es scheint gut zu laufen. Als mein Slot beginnt, trinke ich mit Danger Dan zuerst ein Stamperl Sliwowitz.
Kommenden Freitag releast die Antilopen Gang ihr neues Album „Anarchie und Alltag“ – warum sie damit sowohl HipHop als auch Punkrock retten und Körpervergleich nach wie vor ein Ding ist, lest ihr im Interview unter dem Video.
Könnt ihr euch noch kurz vorstellen, damit ich später alle Antworten richtig zuordne?
Danger Dan: Also ich bin Danger Dan.
Koljah: Und ich bin Koljah.
Panik Panzer: (kaut an einem Keks) Und ich bin Panik Panzer.
Die Situation erinnert mich gerade an ein Interview von Koljah und dir...
Koljah: Ich weiß, was du meinst!
Ich glaube, das war vom Splash Mag...
Koljah: ...wo wir so Tracks raten mussten.
Genau, und am Anfang hat Panik Panzer da auch noch fertiggegessen.
Koljah: Da gibt es auch den besten Kommentar, das habe ich erst letztens gesehen. Da hat irgendwer geschrieben: Sogar Hunde reden nicht, wenn sie essen. Was für ein ekelhaftes Schwein (alle lachen).
Wie hat die Antilopen Gang das Katastrophenjahr 2016 erlebt?
Danger Dan: Das Problem ist ja, dass die Ereignisdichte so wahnsinnig hoch ist, sowohl gesellschaftspolitisch als auch in unseren Biografien – ich kann jetzt schon gar nicht mehr alles auseinanderhalten. Von daher würde ich sagen, es ist ein großer grauer Klumpen, in dem ich persönlich viele schöne Momente erlebt habe, aber gesamtgesellschaftlich natürlich auch Tiefpunkte, die mich dann wiederum auch persönlich betreffen.
Im Jahresausblick für 2017 hat sich ein Redakteur von The Message Folgendes von euem Album gewünscht: „Inhaltlich erwarte ich nur graduelle Neuorientierung, in Punkto Soundbild wäre des auf „Abwasser“ eingeschlagenen Weges schön. Mehr Drums, mehr in die Fresse.“ Ist das Album so geworden?
Danger Dan: Der Mann ist ein Prophet.
Panik Panzer: Das sehe ich ganz anders: Der arme Herr wird enttäuscht (alle lachen). Tatsächlich hätten wir uns das gleiche gewünscht wie er, am Ende ist der Anteil an relativ seichten Nummern doch erstaunlich hoch. Nichtsdestotrotz gibt es ein paar In-die-Fresse Tracks auch.
Danger Dan: Also ich find schon, dass da die Drums und die Bässe mehr knallen. Auch die BPM-Zahl ist enorm angestiegen. Wenn man das mit „Aversion“ vergleicht, ist jetzt alles locker 10 BPM schneller, was uns auch als Rapper gut steht, weil langsam zu rappen komplex ist. Je schneller man rappt, desto besser kann man auch Sachen vernuscheln (lacht).
Im Pressetext zum Album steht: Zwei Jahre nach ihrem Debütalbum „Aversion“ und ein Jahr nach dem Mixtape „Abwasser“ gießen Danger Dan, Koljah und Panik Panzer mit ihrer neuen Wunderwaffe, dem Album Anarchie und Alltag, abermals Öl in das ausgebrannte Feuer...
Danger Dan: ...der hiesigen HipHop-Landschaft.
Geht es der HipHop-Landschaft wirklich so schlecht?
Danger Dan: Ja. Das Feuer ist ausgebrannt, alles ist nicht mehr gut, aber drei heilige Könige kommen, um diese Landschaft umzupflügen. Wir nehmen es mit allen auf, gerne Beef, gerne Battle, kein Problem. Auch bei Körpervergleich machen wir sofort mit.
Panik Panzer: Aktuell sehr im Trend, Körpervergleich.
Danger Dan: Wie man weiß, hinken wir Antilopen dem Zeitgeist ein bisschen hinterher. Von daher ist bei uns jetzt erst Körpervergleich das Ding.
Koljah: Also wir machen das intern auch viel (alle lachen).
Wann war Körpervergleich bitte ein Ding?
(alle lachen)
Panik Panzer: Der Körpervergleich war ein kurzer Trend von ein bis zwei Wochen im deutschen Rapgame, der jetzt ca. drei Jahre her ist. Ein berühmter Rapper hat einen anderen zum Körpervergleich herausgefordert. Das war ganz schnell wieder vorbei, aber bei uns ist das geblieben. Unsere Albumproduktionsphase war ein einziger Körpervergleich zwischen mir und Koljah, wir haben nämlich beide eine Low-Carb-Diät angefangen und uns im Abnehmen gebattlet und auch täglich im Studio unsere Körper verglichen. Koljah hat gewonnen.
Wenn wir schon beim Thema Low-Carb sind, dann können wir gleich über eure aktuelle Single „Pizza“ sprechen. War es wirklich notwendig, auch noch Teigwaren zu politisieren?
Koljah: Nötig nicht. Aber wir brauchten einen Song, auf den sich jeder einigen kann, damit wir endlich reich werden. Dieses Politding habe ich gar nicht so wirklich verstanden. Die Leute erwarten jetzt immer, dass wir auch noch ausführen, wie Pizza die Welt rettet. Ich habe auch heute im Laufe des Tages beschlossen, dass ich da einfach nicht mehr mitmache und dazu stehe, dass Pizza die Welt gar nicht retten kann. Das ist Unsinn. Es nervt total, diese Ironie ewig fortzuführen. Ich habe mir Pizza mit diesem Lied versaut.
Es ist interessant, dass jede mediale Rezension euch sofort als linke Posterboys inszeniert. Pizza war noch nicht einmal releast und jedes Magazin schrieb sofort über den politischen Aspekt, ohne überhaupt einmal gelacht zu haben. Im Song „Fiasko“ gibt es die Line „Ihr findet wirklich in jeder Scheiße noch irgendwelche popkulturellen Querverweise.“ Nehmen euch die Medien zu ernst?
Danger Dan: Nein. Die Medien unterschätzen uns, aber sie überschätzen uns auch. Manchmal ist ein Hut nur ein Hut und manchmal ist eine Pizza nur Holzi Holzi Holz (lacht).
Koljah: Du sollst einen Hut nie vor einen schlafenden Löwen legen, sagt ein altes Sprichwort. Skandinavisch.
Nervt euch die ständige Politisierung?
Danger Dan: Ich glaube, wir sind uns da intern uneinig. Koljah und Panik finden so etwas meistens direkt scheiße, ich habe da nicht so krasse Berührungsängste. Insgesamt nervt es eher, wenn man nur noch auf politische Inhalte reduziert wird und alle anderen Facetten der Antilopen Gang ignoriert werden. Wir sind ja doch auch Leute, die ab und zu Klamauk machen oder etwas Deepes schreiben und wenn uns danach ist, auch nicht vor politischen Themen zurückschrecken. Schade ist, wenn am Ende überwiegend die politischen Facetten zurückreflektiert werden.
Im Album behandelt ihr wirklich verschiedenste Themen und bedient auch unterschiedliche Stile. Es wird gerade durch den Stilbruch verbunden. War das geplant oder hat sich das einfach so ergeben?
Panik Panzer: Es hat sich – wie alles bei der Antilopen Gang – irgendwie so ergeben. Tatsächlich gibt es manchmal den Punkt, wo ich versuche, im Vorhinein ein Konzept oder Regeln festzulegen, wie etwas musikalisch auszusehen hat und am Ende scheitert es dann immer und es entsteht, wie es entsteht. Keiner von uns wusste, wie sich das Album anhören wird, bevor wir angefangen haben, daran zu arbeiten. Prägend ist wahrscheinlich, dass wir auch Roe Beardie, der das letzte Album schon gemischt hatte, die Chance gegeben haben, da noch ein bisschen seine Finger mit reinzustecken.
Der Titel eures Albums, Anarchie und Alltag, ist eine Anspielung an Monarchie und Alltag von Fehlfarben, eine prägende Punkplatte. In Fiasko heißt es dann wieder „Das ist HipHop, ich scheiße auf Punkrock.“ Wieviel Punk und wieviel HipHop steckt in der Antilopen Gang?
Panik Panzer: 60% HipHop, 40% Punk.
Danger Dan: Ich würde sagen 8.
Generell 8?
Danger Dan: Generell, ja.
Koljah: Die 8 ist ja auch ein Zeichen für Unendlichkeit, wenn man sie umdreht.
Darin könnte ich schon wieder so viel reininterpretieren...
Panik Panzer: Ich traue mich nicht mehr, über unseren Punkeinfluss zu philosophieren, weil Koljah dann immer ankommt und mich korrigiert, weil ich den Punkbegriff falsch verwende, glaube ich.
Koljah: Weil du immer sagst: Saufen und Bier.
Panik Panzer: Für mich ist Punk wirklich das absolute Klischee. Ich habe das nicht verstanden (alle lachen).
Koljah: Aber das ist auch okay, Danger Dan hat heute auch schon wieder erzählt, dass er Leute sympathisch findet, weil sie rauchen und Schnaps trinken. Das macht aber einfach jeder Idiot. Es gibt halt Leute in der Gang, die ihre Ansprüche nicht sehr hoch ansiedeln (lacht). Das ist aber auch völlig in Ordnung.
Die Zeile „Das ist HipHop, ich scheiße auf Punkrock“ habe ich übrigens geschrieben, weil ich mich gefreut habe, dass wir einfach einmal einen coolen Rapbeat gepickt haben und ohne großes Konzept drauf los gespittet haben, wie es mir eigentlich auch immer noch am meisten Spaß macht. Natürlich hat sie mit diesen Zuschreibungen zu tun: Man wird immer dazu gezwungen, sich zu verorten und sich wo festzunageln und ich finde, dass wir das gar nicht müssen. Wir sind halt Rapper, die auch mal etwas mit Punk am Hut haben können und das dann einfach machen, weil wir uns selbst keine Verbote auferlegen.
Linus Volkmann hat einen lustigen Satz über euch und Punkrock geschrieben: „Dass diese drei Schrottvögel plötzlich auch in Punkkreisen gefeiert werden, besitzt etwas vom szene-eigenen FIFA-Skandal.“
(alle lachen)
Danger Dan: Linus Volkmann ist ein guter Mann, der hat viel verstanden, aber er braucht eine neue Brille. Die ist nicht gut. Liebe Grüße, Linus – bevor du dir nicht irgendwo Kontaktlinsen holst, können wir darüber mit dir nicht sprechen.
Panik Panzer: Das mit dem FIFA-Skandal verstehe ich nicht, aber die Schrottvögel find ich lustig.
Koljah: Ich möchte auch einmal sagen: Punk braucht keine Brillenträger. Nenne mir nur einen coolen Punkmusiker, der eine Brille trägt. Ich glaube nicht einmal der Typ von Bad Religion hat eine Brille und das ist ein Biologe, der aussieht wie mein Vater. Das macht man nicht. Genauso wie Punker keinen Bart haben. Es gibt Regeln, die gibt es einzuhalten.
Sprechen wir noch über das Bonusalbum: Ihr habt viele eurer Songs mit Punkrockgästen neu aufgenommen. Wie hat sich das ergeben?
Panik Panzer: Die haben alle angerufen (alle lachen). Es stand plötzlich das Telefon nicht mehr still und alle wollten ein Feature mit uns. Und wir haben gesagt: Okay, ihr seid alle schon relativ lang raus aus dem Game – kein Ding, kommt vorbei im Studio, wir machen das zusammen, wir helfen euch.
Koljah: Und dann wollten sie auch noch unbedingt Songs von uns interpretieren. Wir haben gesagt: Klar, wir covern euren größten Hit...
Panik Panzer: ... oder bringt mal einen neuen Song mit. Aber da kommt ja nichts (alle lachen).
Koljah: Wir mussten denen also auch unsere Texte geben.
Es ist also nicht nur die HipHop-Landschaft tot, sondern auch der Punkrock?
Koljah: Ja. Wir sind aber auch gerade dabei, das Genre zu retten. Punk’s not dead.
Wie muss die Pizza belegt sein, um euch zufriedenzustellen?
Danger Dan: Das ist auch ein Paradoxon. Es gibt keine Pizza, die uns alle drei zufriedenstellt. Wir sind keine homogene Gruppe und selbst beim Pizzabelag funktioniert das nicht so einfach.
Panik Panzer: Meine persönliche Stagioni wäre ein Low-Carb-Chia-Teig ohne Belag.
Koljah: Von mir als Tipp: Klingt auf den ersten Eindruck etwas ungewöhnlich, sollte man aber einfach mal ausprobieren: Pizza mit Kaugummi.
Wenn Pizza die Welt rettet, besteht dann für Gluten-Intolerante noch Hoffnung?
Koljah: Ne.
Panik Panzer: Die kommen ins Gulag (alle lachen).
Koljah: Und dann werden die schön mit Milch ernährt (alle lachen).
Danger Dan: Das ist ein schönes Ende.
Koljah: Genau – am Schluss noch der Skandal.