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Viele Bikeparks, alle happy? Keineswegs!

„Flow – das Wort ist durchgenudelt!“ FREERIDE-Chefredakteur Dimitri Lehner über Europas Bikeparks
Autor: Sissi Pärsch
4 min readveröffentlicht am
Wagrainer Wurzeln: Angry Ants heißt der Trail.

Wagrainer Wurzeln: Angry Ants heißt der Trail.

© Stefan Voitl / Bikepark.Wagrain

FREERIDE-Chefredakteur Dimitri Lehner hat die vergangenen Jahre immer wieder Kritik an den europäischen Bikeparks geübt: zu viel hartes Geshredde, zu wenig Flow-Spaß für Jedermann – da wäre Whistler eine ganz andere Sache. Doch nachdem sich inzwischen kanadische Shaper viel in Europa tummeln und sich hier eine spezialisierte Industrie entwickelt, brauchen wir ein Update vom Experten.
FREERIDE-Chef Dimi in Aktion.

FREERIDE-Chef Dimi in Aktion.

© Daniel Roos

So viele neue Bikeparks werden gebaut – wird alles gut, Dimitri?
Hoffentlich wird alles gut – doch noch sind wir davon weit entfernt! Es stimmt, dass die Whistler-Trailbauer neuerdings vermehrt in Europa Trails bauen. Allerdings war das bisher nur in Skandinavien der Fall – und das ist nicht gerade ums Eck. Jarvso in Schweden z.B. soll tatsächlich an die Whistlertrails rankommen. Doch „bei uns“ hat sich noch nicht viel getan. Da ist einiges angedacht und geplant – doch nix konkret. Leider.
Dabei wird fast nur noch mit Flow-Trails geworben...
Flow – das Wort wird ziemlich durchgenudelt. Plötzlich ist alles Flow. Doch wo Flow drauf steht, ist noch lange nicht Flow drin. Ich finde fast schon amüsant, dass z.B. in Freiburg vier Kanadier gegen Kost und Logis in 6 Wochen einen Trail durch den Wald shapten mit Hacke und Motorsäge, der in Sachen Flow alles in den Schatten stellt, was sonst so bei uns gebaut wird. Und noch immer ist der Flow-Country-Trail in Bischofsmais die gelungenste Interpretation von Flow als einfacher Spaßtrail. Allerdings bin ich die neuen Flowtrails, die gerade angelegt werden wie in Leogang, Sölden oder Elstra bei Dresden noch nicht gefahren. Kurzum: Das ist bisher erst ein zarter Anfang.
So bauen kanadische Männer.

So bauen kanadische Männer.

© WhistlerMountainBikePark

Wo tut sich denn was?
Wir von der FREERIDE testen ständig Bikeparks. Der recht neue Park im Brandnertal in Voralberg hat mir gefallen – dort wurde viel richtig gemacht. Die Jumpline in Schöneck bietet Airtime wie man es bei uns selten findet. Doch meine Favoriten sind noch immer die alten Bekannten: Lac Blanc in den Vogesen, Spicak im Böhmerwald, Serfaus-Fiss-Ladis oder natürlich das weit entfernte Portes Soleil mit seinem großen Angebot.
Es wird vielerorts immens in Bikeparks investiert. Geht das alles in die richtige Richtung?
Meist nicht. Es ist wichtig, jemanden zu engagieren, der sich auskennt – wie Tom Pro aus Whistler oder namhafte Trailbauer wie z.B. Joscha Forstreuter, der in Sölden die Teäre Line gebaut hat oder eben Diddie Schneider. Ich finde es unbegreiflich, dass keine Region bisher den Ehrgeiz hatte z.B. Tom Pro den Auftrag zu erteilen bei uns eine europäische Dirt Merchant-Strecke zu bauen. Das ist Whistlers Vorzeigetrail in Sachen Spaß, Flow und Airtime. Warum: Der Trail ist schön breit und sicher angelegt und bietet eine hohe Stunt-Dichte. Sprich: Ein Sprung folgt dem nächsten – eine ständige Bespaßung für den Fahrer. So ein Trail beschert garantiert finanziellen Erfolg! Es ist mir wirklich unbegreiflich, dass das noch nicht passiert ist! Mir gehen die Whistler-Vergleiche selbst auf die Nerven, aber man muss es sagen, bis europäische Shaper uns eigene spaßigen Trails bauen.
Frisch geshaped von Joscha Forstreuter in Sölden.

Frisch geshaped von Joscha Forstreuter in Sölden.

© Anton Brey / Ötztal Tourismus

Eine kleiner Sprung: Werden bei den schlechten Winter-Saisons bald alle Skiorte auf die Biker im Sommer setzen?
In meinen Augen ist das die ideale Kombination, denn die Infrastruktur ist ja schon da – warum also keine Bike-Trails anlegen wie das Leogang, Serfaus, Saalbach-Hinterglemm etc. gemacht haben.
Aber lauern nicht auch neue Gefahren, wenn der Bikepark als sommerliche Goldgrube entdeckt wird?
Nicht, wenn die Trails professionell gebaut werden. Ökologisch ist das natürlich immer eine Erdvergewaltigung, doch in vielen Skigebieten kann man so viel nicht mehr kaputt machen. Bitter, aber wahr.
Was wäre Dein Traum-Szenario?
Noch immer ist Whistlers Dirt Merchant-Trail das glänzende Vorbild. Wir brauchen also breite, sicher angelegte Trails mit Table-Jumps, Step-Ups, witzigen Kurvenfolgen, Drops in hoher Dichte. Ständig soll was passieren und der Trail muss die Geschwindigkeit vorgeben – man wird also durch den Trail gespült wie auf einer Welle, fliegt nicht zu weit oder springt zu kurz. Ist der Trail so, dann will man ihn ständig fahren und kann davon nicht genug kriegen. Auf Dirt Mertchant hat jeder Spaß, vom Einsteiger bis zum Profi. Mein Appell an alle Parkbetreiber: Baut uns Dirt Merchant!

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