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Ebow - Türkische Hipster-Hochzeit

Deutschrap fehlt eine ernstzunehmende Künstlerin. Ebow aus München könnte diese Lücke füllen.
Autor: Kevin Schramm
4 min readveröffentlicht am
Ebow: Fun-Gun-Action

Ebow: Fun-Gun-Action

© [unknown]

Ebow ist ein einziger Widerspruch. Sie chillt in der Shisha-Bar am Hauptbahnhof und feiert danach im Hackerzelt auf dem Oktoberfest. Sie ist durch und durch Familienmensch, aber sorgt mit ihrer Undercut-Frisur für Aufregung auf den Hochzeiten ihrer türkischen Verwandten. Sie rappt über den Typen von letzter Nacht aber diskutiert mit ihrer muslimischen Mitstudentin mit dem Kopftuch über den Koran und Haram.
„Ebow ist keine Kunstfigur, das bin ich.“ sagt die Rapperin aus München. Trotz ihres Architekturstudiums und einem Plattendeal mit dem Label Disko B (Schlachthofbronx, Stereo Total, Chicks On Speed) wohnt Ebru, so wird so von ihrer Mutter genannt, noch daheim in dem Drei-Generationen-Haushalt ihrer Familie. Und das tut sie nicht aus etwa aus Geldmangel, sondern aus Überzeugung.
Aber abends muss sie immer raus. Sie schlüpft in ihre Sneaker, zieht das Cap rückwärts auf den Kopf und verschwindet in die Nacht. Ihr Weg führt sie dann zu später Stunde auf Freestyle-Battles, wo sie sich als Teenager ihre ersten Sporen am Mic verdient. Später, als Abiturientin, feiert sie wilde Partys und sitzt an der Kasse von Münchner Elektronik-Clubs wie der Roten Sonne und saugt alle Facetten des Nachtlebens in sich auf.
In ihr vereinen sich Welten

In ihr vereinen sich Welten

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Ebow ist alles auf einmal. In ihr vereinen sich Welten. Das liegt schon in ihrer Familiengeschichte begründet. Ihr türkischer Großonkel hat bereits vor Jahrzehnten Casino-Business in Deutschland gemacht. Der Vater kam als Gastarbeiter nach Deutschland, holte Ebrus Mutter nach und blieb. Das Leben zwischen den Kulturen hat sie geprägt. Im Song „Oriental Dollar“ bringt sie das Dilemma mit einfachen Worten auf den Punkt: „Hier drüben unerwünscht, dort drüber nicht gern gesehen. Zuhause ist, wo mein Herz ist, ich muss ohne Herz überleben.“
Aber Ebow jammert nicht, sie macht. Ihre Liebe zur Musik entsteht als sie als kleiner Stöpsel bei ihrer Tante im Wohnzimmer sitzt und die Tracks von TLC, Will Smith und Run-D.M.C. mitrappt. Mit 15 steht sie zum ersten Mal in einem professionellen Aufnahmestudio und nimmt ihre ersten Songs auf. Einen Knebelvertrag später, lernt sie ihren Produzenten Nik LeClap kennen. Das musikalische Allroundtalent schneidert ihr einen zeitgemäßen Sound zwischen Arabesk-HipHop, Clubmusik, 90s-R'n'B und Pop auf den Leib. Zusammen machen sie ein gnadenlos unterschätztes Video-Mixtape, das aber immerhin Aufmerksamkeit von Major Labels und letztlich den Deal bei Disko B einbringt.
Jede Menge Input für ein junges Leben. All diese Erfahrungen haben Ebow zu einer messerscharfen Beobachterin werden lassen. Was sie gesehen und erlebt hat, spricht aus jeder Silbe ihrer Songs. Zum Beispiel rechnet sie auf dem Track „Geld ist unfotogen“ mit den Blendern ab, die ihr im Club vom großen Geld und der großen Welt erzählen wollen. Aber auch für sich selbst hat sie einen unverstellten Blick, wenn sie auf „An dich denken“ erzählt, wie sie sich als bodenständiges Hip Hop-Chick in ein Münchner Rich Kid verliebt.
Aber sie kann auch ganz anders. Ihre Familie gehört der alevitischen Minderheit in der Türkei an, die in ihrer Heimat bis heute gegen die Unterdrückung ihrer Glaubensrichtung kämpft. Vor allem Ebows Mutter war politisch aktiv und musste deswegen sogar in einigen Situationen um ihr Leben fürchten. Das hat Spuren hinterlassen: Regelmäßig performt Ebow bei Demonstrationen, setzt sich in Interviews für die Rechte von Immigranten ein und hält in ihren Songs deutschen Kriegsprofiteuren den Spiegel vor. Dabei wirkt sie kein bisschen verkrampft, sie macht es fast beiläufig und mit einer natürlichen Coolness.
Kampf für die Rechte von Immigranten

Kampf für die Rechte von Immigranten

© [unknown]

Aber Ebow hat schon jetzt nicht nur Fans. Manche halten sie für eine schlechte M.I.A. - Kopie, ein Integrationsdebatten-Postergirl und eine Pop-Rapperin. Aber Ebow lässt das kalt. Sie ist es gewohnt, das Leute nur das in ihr sehen, was sie eben sehen wollen. Außerdem ist sie nicht allein. Ebow ist ein Projekt, eine ganze Crew aus Sängern, Tänzern und Modefreaks, die zusammenhält und ihr Ding macht. Schwesta Ewa schön und gut, Deutschland braucht endlich wieder eine ernstzunehmende Rap-Künstlerin. Ebow steht mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum, das am 22.11.13, erschienen ist, in den Startlöchern, um das Ding inschallah klar zu machen. Wer soll da noch widersprechen, außer Ebow sich selbst?