Eishockey
EHC Red Bull: Startrainer Pierre Pagé im Interview
Der Erfolgscoach will mit dem EHC München schon ab dieser Saison um den Eishockey-Titel mitspielen.
Meister mit den Eisbären, Serienmeister mit Red Bull Salzburg in Österreich: Was haben Sie in München vor?
Hoffentlich baue ich in München etwas Neues auf: der Spaß, die Begeisterung und Freude von Berlin und der Erfolg von Salzburg. In Salzburg haben wir im fünften Jahr die European Trophy gewonnen. Berlin hat acht Jahre gebraucht. Keine Ahnung, wie lang es in München dauern wird, um Erfolg zu haben.
Warum hat es nach den großen Erfolgen der ersten Jahre letzte Saison beim EC Red Bull Salzburg nicht mehr geklappt?
Coaches nutzen sich ab. Das ist im Teamsport normal. Es gibt Revolutionen. Statistisch gesehen passiert das in der NHL alle zwanzig Monate. Spieler verlieren das Vertrauen in die Trainer, Trainer verlieren das Vertrauen in die Spieler, beide verlieren das Vertrauen ins Management. Jetzt hast du zwei Möglichkeiten: Du bleibst und veränderst dich. Oder du veränderst dich, indem du gehst. Ich neige zu Ersterem: Ich war sechs Jahre in Berlin und sechs Jahre in Salzburg. Das waren meine besten zwei Stationen als Trainer.
Warum?
Weil die Eigentümer anders dachten und auch mir erlaubten, anders zu denken. Und jetzt bekomme ich zum dritten Mal diese Chance. Es ist unglaublich, und ich bin der glücklichste Mensch der Welt. Veränderung ist wichtig. Wenn du sieben Tage hintereinander Hummer isst, wirst du am achten Tag sagen: Ich mag diesen Hummer nicht.
Wie planen Sie den Erfolg für den EHC Red Bull München?
Indem man aus seinem alten Umfeld ausbricht und dort hingeht, wo es weh zu tun beginnt. Indem man sich mit frischen Ideen auseinandersetzt, mit Menschen, die Lösungen sehen, Menschen aus anderen Lebensbereichen. Wir wollen Hockey nicht ausschließlich aus der Hockey-Perspektive betrachten. Vor drei Jahren hat Barcelona den besten Fußball der Welt gespielt, sie schienen unschlagbar. Jetzt ist Bayern München dort, Champion der Champions, und was machen sie? Sie tauschen den Trainer aus! Warum? Weil es Veränderung braucht, um erfolgreich zu bleiben. Weil sie Dinge anders sehen. Und weil es in einer Welt des Entertainments Änderungen braucht, um nicht beliebig und austauschbar zu werden.
Aber Veränderung ist anstrengend.
Genau darum muss jemand aufstehen und sagen: Ich will etwas ändern. Das ist nicht arrogant, das ist der notwendige erste Schritt. Danach, in ein paar Monaten, vielleicht Jahren, wird man Ergebnisse sehen. Über die kann man dann urteilen.
Ihre konkreten sportlichen Ziele?
Wir wollen schon dieses Jahr in einer Position sein, um den Titel mitspielen zu können. Normalerweise dauert es drei Jahre, um eine erfolgreiche Organisation aufzubauen. Das wissen wir aus der NHL. Wenn du Erfolg hast, bekommst du mehr Zeit, um deine Vorstellungen umzusetzen. Hast du weniger Erfolg, schrumpft auch dein Gestaltungsspielraum, die Zeit, die du bekommst, bis die Veränderungen greifen. Es ist eine Henneund- Ei-Frage. Alle erfolgreichen Organisationen waren geduldig: die Montréal Canadiens, ZSKA Moskau, die Eisbären, Färjestad, Davos. Andere waren auf einem guten Weg, doch dann ist ihnen die Puste ausgegangen: Kärpät, Sparta Prag, ein paar Teams aus Russland. Neben Geduld braucht es Kreativität, um langfristig Erfolg zu haben.
Wie sieht ein erfolgreiches Nachwuchsmodell aus?
So wie das der Skifahrer in Österreich oder die Modelle im Hockey von Zürich und Bern. Wir müssen die besten Athleten, also auch die, die in Deutschland im Moment zum Fußball und in Österreich zum Skifahren gehen, zum Hockey bringen. Man muss eng mit Schulen kooperieren und auch sportartenübergreifend trainieren. Wer im Basketball gut ist, hat normalerweise auch einen guten Hockey-Sense. Die entscheidende Phase ist die zwischen 16 und 24 Jahren. Da verbessern sich Athleten am meisten.
Werden Sie mehr mit Jungen spielen?
Wir waren mit der Kaderplanung spät dran und haben viele gute Junge nicht mehr bekommen. Grundsätzlich ist mir das Alter egal, solange die Spieler bei unseren Plänen mitziehen: hart trainieren, hart spielen. Irgendwo ist immer Show. Und das sollten wir sein: der EHC Red Bull München, die DEL, das europäische Hockey.
Sie haben den Ruf, viel von den Spielern zu verlangen. Sehr viel.
Es ist nicht normal, hart zu arbeiten. Wer hart arbeitet, ist über dem Durchschnitt. Nur manche wollen es, sehr wenige schaffen es über einen langen Zeitraum. Ich bin ihnen nicht böse. Aber mein Job ist es, für mein Team jene wenigen zu finden, die es schaffen. Ich kann mich an keinen einzigen Spieler erinnern, der unter unserem Training schlechter geworden wäre – im Gegenteil.
Worauf achten Sie bei der Auswahl der Imports?
Sie müssen hungrig sein. Wir haben schon jetzt einen Import mehr, als wir einsetzen dürfen. Das heißt, dass mindestens ein sehr guter Spieler auf der Tribüne sitzt, wenn wir noch einen holen, zwei. Da ist kein Platz für Faulheit.
Wie viele Freiheiten bekommen die Spieler in Ihrem System?
Viele. Sehr viele. Freiheit bedeutet aber auch: Verantwortung. Das vergessen manche. Freiheit heißt auch: Du musst für deine Entscheidungen geradestehen. Das verlange ich von meinen Spielern.
Die Karriere von Pierre Pagé
NHL als Head Coach:
Minnesota North Stars,
Québec Nordiques,
Calgary Flames,
Anaheim Ducks
Europa-Stationen:
Ambri-Piotta,
Eisbären Berlin,
EC Red Bull Salzburg,
Erfolge:
Stanley-Cup-Finale als Assistant Coach (1986 mit Calgary)
2-mal deutscher, 3-mal österreichischer Meister
Sieg im Continental Cup und in der European Trophy
mit dem EC Red Bull Salzburg