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Ages: „Kopf-, Knie-, und Arsch-Verletzungen"

Interview: Warum das A.G.Trio jetzt Ages heißt und was das mit Lana Del Rey zu tun hat.
Autor: Manuel Kurzmann
7 min readveröffentlicht am
Markus Reindl, Jürgen Oman und Roland Bindreiter

Markus Reindl, Jürgen Oman und Roland Bindreiter

© Through The Haze, Julian Haas

Wenn Markus Reindl, Roland Bindreiter und Jürgen Oman 2014 bekanntgegeben hätten: „Leute, A.G.Trio gibt’s seit zehn Jahren, alles war super, das Touren um die Welt, die Amadeus-Nominierungen, Airplays & YouTube-Klicks, leiwand, die 70.000 Facebook-Fans und so, a Traum, aber wir feiern unsere eigene Musik nicht mehr, also hören wir auf. Pfiat eich“, dann wäre es die klassische "sehr sehr schade"-Situation gewesen, aber halt auch eine "ich kann das nachvollziehen, wenn euch die eigene Musik keinen Spaß mehr macht"-Situation.
Dass die drei Produzenten stattdessen GEMEINSAM, mit neuer Musik, neuem Namen – Ages –, etc. daherkamen, gleichzeitig aber trotzdem betonten, dass ihre erfolgserprobte Electro-House-Stute A.G.Trio aufgrund der musikalischen Identitätskrise ev. ganz der Vergangenheit angehört, war schon... naja... man hat sich halt nicht so ausgekannt.
Jetzt ist unter dem Namen Ages das musikalische und visuelle Gesamtkunstwerk „Roots“ erschienen. Es als Debütalbum zu bezeichnen, fühlt sich falsch an, einfach weil diese drei Herrschaften fertig geschliffene Billanten produzieren, nix Schleifpapier nötig und so. Wie auch immer: Wir hatten Fragen...
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© Through The Haze, Julian Haas

Die Vorstellung eures neuen Projekts ist ja schon etwas her. Wie kam‘s dazu, dass ihr gesagt habt: „Okay, Zeit was zu ändern“?
Markus Reindl: Wir waren gerade von einer Tour zurück, haben neue Sachen begonnen und sofort gemerkt, dass alles langsamer ist und anders klingt. Der Roli hat dann die Idee mit dem neuen Namen eingeworfen.
Roland Bindreiter: Irgendwie war jeder froh, dass ich das ausgesprochen habe. Ich glaub, das Bauchgefühl, dass man was ändern muss, war sowieso bei uns allen da.
Jürgen Oman: Das Problem ist nur: Wir haben’s nach zehn Jahren noch immer nicht zusammengebracht, einen Namen zu wählen, den man auf Google findet.
Gibt’s einen Song, bei dem diese musikalische Veränderung zum ersten Mal hörbar war?
Jürgen: Parov Stelar, der ja ein guter Freund von uns ist, hat uns angerufen und gemeint, er macht einen Remix für Lana Del Rey – und ob wir nicht auch einen machen wollen. Und wir haben „Ja“ gesagt und dann das Material gekriegt...
Roland: ...vier Spuren...
Jürgen: ... und haben damit den Remix gemacht. Es haben alle erwartet, dass das ein A.G.Trio-Track wird...
Markus: ... aber es wurde halt der erste Ages-Track. Und der wurde voll abgelehnt, keiner wollte den. Aber wir haben für uns gemerkt: Wir wollen nicht mehr nach Schema F irgendwas rausschnalzen.
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© Through The Haze, Julian Haas

Gab’s nicht auch die Überlegung, den Namen beizubehalten und einfach so abgedroschene Sätze zu sagen, wie: „Wir haben uns musikalisch neu erfunden.“?
Markus: Wir haben halt auch festgestellt, dass gerade das internationale A.G.Trio-Publikum wenig mit dem neuen Material anfangen kann. Insofern war es auch die richtige Entscheidung. Sonst hätten wir die Leute eher vor den Kopf gestoßen. Mit Ages geben wir uns auch die Möglichkeit, Leute zu erreichen, denen A.G.Trio vielleicht nicht so getaugt hat. Aber gerade in Österreich sehen die Leute das eh locker.
Jürgen: Außerdem haben in den letzten Jahren so viele Musiker dasselbe gemacht wie wir als A.G.Trio – nur halt schon zehn Jahre. Man horcht die Sachen und denkt: „Hey, scheiße, ich kann‘s nicht mehr hören!“
Glaubt ihr, dass die Abwechslung durch Ages irgendwann dazu führen könnte, dass ihr sagt: „So, jetzt wär eine neue A.G.Trio-Platte wieder geil...“?
Jürgen: Kann sein. Wenn uns danach ist.
Markus: Momentan habe ich keine Lust drauf.
Roland: Nach dem Wahnsinn der letzten Jahre müssen wir uns auch gut überlegen, ob wir uns überhaupt wieder als A.G.Trio auf der Bühne stehen wollen. Ich bin jetzt 40...
Jürgen: ... und Voll-Invalide.
Markus: Wir haben eine schöne Foto-Sammlung an Verletzungen, die sich der Roli auf der Bühne zugezogen hat.
Zähl mal auf, Roland...
Roland: Kopf-, Knie- und Arsch-Verletzungen. Und Geschlechtskrankheiten.
Jürgen: Haha, Geschlechtskrankheiten? Auf der Bühne?
Roland: Naaa, Scherz....Aber ich hab Live halt immer brutal mein Ding durchgezogen. In Moldawien hat‘s mich mal von der Bühne runtergeschmissen, weil der Bühnentechniker einen Montor verschoben hat, während ich zurückgestiegen bin. Einen Monat später bin ich in ein Loch gestolpert und hab mir den Arsch so anghaut, dass ich nicht mehr sitzen konnte.
Jürgen: Ich weiß noch, beim Heimfahren: Der Roli ist neben mir gesessen und hat fast geweint. Und er war blunzn-fett, weil er die Schmerzen wegsaufen wollte. Es hat so lustig ausgeschaut, wie er dagesessen ist, so auf einer Arschbacke.
Roland: Das war auch ein Moment, wo ich mir gedacht hab: „Das kann nicht so weitergehen.“ Ich mein, ich werd Live immer dieses Gezappel haben. Ich bin aber ganz froh, dass sich das Ganze jetzt etwas verlangsamt hat.
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© Through The Haze, Julian Haas

Kommen wir zum Ages-Debütalbum, „Roots“. Eine Besonderheit ist die große Zahl von Feature-Gästen. Wie habt ihr die Stimmen ausgewählt?
Markus: Wir wollten einfach viele Kollaborationen machen, weil wir das lässig finden. Es war uns auch total wichtig, mit Leuten zu arbeiten, die wir kennen – okay, am Schluss sind dann noch einige dazugekommen, die wir gar nicht gekannt haben.
Wen habt ihr gar nicht gekannt?
Jürgen: Den Alex von GIN GA. Der war auch lange Zeit nicht für uns erreichbar. Wir haben auch niemanden in unserem Umfeld gefunden, der seine Nummer gehabt hätte.
Markus: Er will offenbar seine Ruhe haben, was ich auch vollkommen verstehe. Übers Management ging es dann eh schnell, da hat er auch sofort zurückgeschrieben.
Wie ging’s weiter?
Markus: Ich bin mit ihm in Wien was essen gegangen, um die Grund-Idee zu besprechen. Er ist dann ins Studio gekommen, aber ohne konkreten Plan.
Jürgen: Vorher hat er uns mal eine Demo mit einer Idee geschickt, wo wir gedacht haben: „Was ist das jetzt, verarscht uns der?“
Roland: Er ist total cool. Wir haben dann im Studio einen Tag lang herum-gegrooved und Tischtennis gespielt. Der Song ist auch super geworden („You Already Know“; Anm).
Gab es Vocals, die überraschend schnell fertig waren?
Markus: Die von Laura Goméz („I Want It“; Anm.).
Jürgen: Die hat uns das einfach geschickt.
Markus: Oder der Johannes (Eder; Anm.), der hat das aufgenommen, während er mit Catastrophe & Cure letzte Album gemacht hat („Undeniable/Irresistable“; Anm.).
Spannend, weil beim Song mit Johannes („Chances“; Anm.) eine gewisse Stimmung in seinen Vocals mitschwingt, die auch auf „Undeniable/Irresistable“ ein bisschen hörbar ist...
Markus: Es war auch super, dass die ganze Band von ihm das cool fand und da nicht irgendeine Art von Konkurrenzverhältnis entstanden ist
Jürgen: Bitte erzähl die Gschicht, wie er angerufen worden ist...
Markus: Haha, ja, total schön... Eine entfernte Bekannte von Johannes ruft ihn an und sagt: „Ich hab da irgendwen auf FM4 gehört – die kopieren deinen Style.“
Roland: Die Nummer hat jedenfalls extrem von ihm profitiert. Dass sich das so ausgeht, ist halt immer ein bisschen Glückssache...
Markus: ... weil du dein Baby hergibst und hoffst, dass was zurückkommt, das dem entspricht. Manchmal kommt nix raus, manchmal wird’s geil.
Inner von Loving.the.Alien ist noch nicht seit Ewigkeiten im Business. Wie ist die Zusammenarbeit mit ihr entstanden? Sie ist ja auch eure Live-Sängerin...
Markus: Sie ist eigentlich nur für einen Track zum Probieren vorbeigekommen. Es sind dann drei („Hymn“, „Your Words“, Your War Is Over“; Anm.) geworden.
Warum habt ihr euch für sie als Live-Sängerin entschieden?
Markus: Das hat sich einfach ganz natürlich ergeben.
Roland: Du musst ja auch jemanden finden, der in diesen Tonlagen singen kann und Dinge auch neu interpretieren kann.
Markus: Und auch Zeit für eine Tour hat. Das war eine ganz wichtige Voraussetzung.
Was fühlt sich jetzt bei Konzerten anders an?
Jürgen: Früher haben wir den Erfolg eines Konzerts daran gemessen, wie viele Leute getanzt haben und ausgeflippt sind. Jetzt ist dieser Indikator weg, weil das keine Musik mehr ist, wo man tanzt, sondern wo man zuhorcht. Das machts total schwer zu beurteilen, ob’s gut angekommen ist oder nicht. Aber diesen Prozess muss man durchmachen – man muss auch in der Musik alt werden.
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© Through The Haze, Julian Haas