Music
Destroyed but Not Defeated: Mut zum „Weniger“
Das Wiener Rock-Trio im Interview: Über ihre neue Platte und warum Musikwettbewerbe absurd sind.
Du kannst als Band Sachen sagen, wie: „Mit diesem Album erfinden wir uns neu." Du kannst dir dann einen microKorg bei Thomann bestellen, weil Dorian Concept damit auch so geile Sounds macht, oder deinem Producer applaudieren, nachdem er einen krassen Reverb-Effekt auf deine Stimme gelegt hat, so krass, dass dich morgen vielleicht Nicolas Fromageau von M83 anrufen wird, um dir auf Französisch zu erklären, wie „fantastique" er diesen Reverb-Effekt findet. Kann halt sein, dass dir spätestens einen Tag vor der Release Show der Reis geht, weil Live nix so klingt wie auf Platte.
Gegenvorschlag: Erfinde dich ruhig von Zeit zu Zeit neu, aber bleibe dir dabei treu! Destroyed but Not Defeated sind ein Paradebeispiel dafür, wie gut es klingen kann, wenn man sich bei einer Albumproduktion auf die Quintessenz des Musikmachens besinnt: In den Proberaum gehen, gemeinsam jammen, so lange, bis die Rädchen ineinandergreifen, selbst wenn’s nur ein simpler Drum-Beat und ein einziger Gitarren-Riff sind. Sobald alles gefällt, macht man Feierabend. Wär halt wichtig, immer die Record“-Taste auf den iPhone zu drücken, weil der Mensch dazu neigt, zu vergessen. Die Streber haben sogar ein eigenes Aufnahme-Dingsbums.
„Jeder Song hat seinen Zenit. Man muss echt aufpassen, dass man den nicht überschreitet“, sagen Lelo Brossmann, Markus Reiter und Clemens Franke und untermauern diese These mit ihrer am 4. September erschienenen Platte „Now For The Encore“. Zusammengefasst: Ein 13 Tracks umfassendes, Song- und Sound-thematisches Durcheinander, das trotzdem verdammt viel Spaß macht, weil jede Note nach Liebe zur Musik und nach Glaubwürdigkeit klingt.
Ich habe mich mit dem Trio im „Jetzt“ getroffen und mit ihnen über ihre neue Platte gequatscht.
Ist das „Jetzt“ sowas wie eure Band-Zentrale, zumindest was das Post-Bandprobe-Bier betrifft? Für das Video zu eurer ersten Single „Wonderful Day“ (Videoplayer oben; Anm.) wurden ja auch einige Szenen hier gedreht...
Lelo: Ja schon. Ich wohn sogar nur zwei Häuserblöcke weiter. Die Musik hier ist immer super und den Besitzer, Joe, kenn ich seit der Schulzeit. Es gibt viele Gründe, die uns ans „Jetzt“ binden.
Destroyed but Not Defeated gibt es seit 2011, 2012 erschien euer selbstbetiteltes Debütalbum – danach wurde es still. Warum?
Lelo: Eher gezwungenermaßen, durch den Besetzungswechsel. Clemens ist statt Ian (Gründungsmitglied Ian Miller; Anm.) 2013 eingestiegen. Wir mussten uns auch erst zusammenfinden.
Markus: Wir waren aber nie unproduktiv. Ich hatte letztes Jahr leider einen Unfall und konnte ein halbes Jahr nicht spielen.
Was ist passiert?
Markus: Ein Fahrradunfall. Ich habe mir den Oberarm gebrochen. Das war schon bitter.
Lelo: Das Album ist aber recht schnell entstanden. Die meisten Songs waren in zwei, drei Monaten fertig.
„Now For The Encore“ ist thematisch und musikalisch sehr facettenreich und sowas wie eine Antithese zum Konzeptalbum. Umgesetzt habt ihr das alles erneut in eurer Grund-Instrumentierung, also Drums, Gitarre, Bass. Warum habt ihr euch gegen irgendwelche großen elektronischen Spielereien oder sonstwas entschieden?
Lelo: Ich habe zuhause Logic – Achtung, das soll jetzt keine Werbung sein. Jedenfalls bietet es tausende Effekt-Möglichkeiten. Das überfordert mich immer völlig. Ich glaub auch, dass ich ohne das reduzieren aufs Minimale, aufs Wesentliche, gar keine Musik machen würde.
Markus: Es gibt für unseren Songwriting-Prozess auch bewusst einen klaren zeitlichen Rahmen – nicht nur, weil uns das lange Herumarbeiten nicht taugt, sondern weil das Intuitive, die erste Idee, halt meistens am besten passt.
Lelo: Jeder Song hat seinen Zenit. Man muss echt aufpassen, dass man den nicht überschreitet.
Gerade als Trio stelle ich es mir trotzdem schwierig vor, sich in Sachen Sound immer selber zufriedenzustellen, eben weil man eingeschränkt ist.
Markus: Ja schon, aber am Ende kann man halt nur die Instrumente spielen, die man spielt. Und es soll ja auch Live so ähnlich klingen wie auf dem Album, sonst macht man den Leuten was vor.
Clemens: Ich hab übrigens mal Blockflöte gelernt. Und Klavier – falls wir das mal brauchen...
So ein 5-Minuten-Blockflöten-Opener wär doch was, oder?
Clemens: Haha, ich weiß noch, wie mich Mama immer mit Gummibärli locken musste, damit ich Klavier übe. Für eine halbe Stunde spielen habe ich dann ein Packerl Gummibärli gekriegt.
Markus: Dafür hast du dir aber eine gute Figur erhalten, muss man sagen.
Lelo: Jetzt kann man dich nur mehr mit Bier ködern...
Markus: ...oder Bierbärli.
Für viele Musiker ist reduziertes Arbeiten fad, weil sie dann nicht zeigen können, welche krassen Skills sie haben. War das bei euch auch mal so?
Clemens: In meiner früheren Band habe ich immer versucht, den einen oder anderen Schlag mehr einzubauen, um zu zeigen, was für ein toller Drummer ich bin.
Lelo: Auf der neuen Platte ist dein stärkster Moment aber gerade der beim Opener „Now For The Encore“, wo du absichtlich einen Schlag auslässt.
Markus: In der Rock-Musik macht man diese Kurve irgendwann eh fast von selber. Man probiert lange, mehr zu machen, bis man draufkommt, dass weniger cooler ist. Das dann dermaßen auf den Punkt zu bringen, dass es nicht mehr besser geht, ist ja auch eine Challenge.
Lelo: Die wirklich großen Bands schaffen das – egal ob man AC/DC oder The Clash als Beispiel hernimmt.
Als Gegenargument könnte man sagen: Technisch überkrasse Cover-Versionen auf YouTube bringen auch Aufmerksamkeit...
Markus: ... ja, weil wir einer Zeit leben, in der alles in Zahlen dargestellt wird.
Lelo: Du drehst den Fernseher auf und siehst eine 12-, 13-Jährige, die wie Mariah Carey singt, dann aber verheizt wird, weil sie ständig irgendeinen Cover-Scheiß singen muss.
Oder guck dir Musikwettbewerbe an. Ich mein, Musik und Wettbewerb, diese Wörter zu kombinieren, ist absurd. Es geht da immer darum, wer am besten spielt und singt, und nicht um den Song, die Musik. Das ist irgendwie so ein Schwanzlängenvergleich, der gar nichts mehr mit der Essenz zu tun hat. Ich bin noch damit aufgewachsen, dass es scheißegal ist, wer man ist, was man kann und wie man aussieht, weil man alles schaffen kann, solange man das tut, was man mag – sei’s musikalisch oder sonst was.
Lasst uns zu eurem Album zurückkommen. Mein Favorit ist der schon erwähnte Opener „Now For The Encore“. Der geht voll auf die 12, sowohl textlich als auch musikalisch...
Lelo: Der Song ist als Jam entstanden, im Proberaum. Ich weiß gar nicht mehr, wer angefangen hat.
Markus: Das sind ja nur ein Beat und ein Riff, der dazupasst. Im Endeffekt hat es dann nur zwei, drei weitere Elemente gebraucht, bis die Nummer gestimmt hat.
Lelo: Ist auch schön, sich mal auf einen Riff zu konzentrieren, und den zu Tode zu walzen.
In „Land Of Mountains“ interpretiert ihr – zumindest in angedeuteter Form, kommt mir vor – die Nationalhymne neu. Es geht nicht um die schönen Dinge im Land, sondern um alles, was euch ankotzt...
Lelo: Ich wollte schon immer einen politischen Text schreiben, weil ich finde, dass es nichts Schwierigeres gibt. Ist sich am Ende dann aber ganz gut ausgegangen.
„It’s Over“ geht ein bisschen vom Gas. Jetzt dürft ihr mich schimpfen, weil ich‘s nicht erkannt habe – wer ist die Frauenstimme?
Lelo: Patricia Ziegler von We Walk Walls, also eine Labelkollegin.
Tatsächlich? Mit We Walk Walls hab ich vor kurzem über ihr neues Album gesprochen. Darauf wär ich aber nicht gekommen...
Lelo: Michi Danner, der ja unser erstes Album gemastert hat, hat mich sogar gefragt, wer denn die Kinderstimme ist. Ich finde auch, man erkennt sie bei dem Song nicht so leicht. Ich schätze We Walk Walls wahnsinnig, und als sie dann bei uns war, war ich noch einmal doppelt baff, wie toll sie das singt. Für uns, die ja alle keine gelernten Sänger sind, ist das schon beeindruckend.
Markus: Das spricht auch für ihre Wandlungsfähigkeit.
Am 9. September ist Album-Premiere im FLUC. Wie sehr juckt es schon unter den Fingern?
Lelo: Schon sehr. Es geht ja meiner Meinung nach nur ums Live spielen, darum macht man das alles.
Was erwartet uns?
Clemens: Ein langes Intro natürlich.
Lelo: Patricia wird auch Gast-singen, was schon besonders ist, weil das sicher nicht bei allen Konzerten möglich sein wird. Wir müssen eh noch schauen, wie wir das dann lösen.
Clemens: Hoffentlich nicht so wie im Proberaum, wo du das mit der Kopfstimme singst.
Lelo: Na, des geht sich net aus, glaub I.
Clemens: Und es gibt wie immer peinliche Pausen, wo niemand weiß, was er sagen soll.
Lelo: Wir müssen uns noch Witze überlegen.
Markus: Das mit den Gummibärlis war eh schon nicht so schlecht...
Danke für das Gespräch!

