A$AP Rocky bei 30 Days In LA
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Music

Die eigenwillige Geschichte des Cloud Raps

Von vielen verschmäht, schaffte es die Cloud Rap-Szene dennoch, einen maßgeblichen Einfluss auf die Musikwelt auszuüben. Was ist aus dem abgedrehten Sub-Genre des HipHops geworden?
Autor: Eddy Lawrence
5 min readPublished on
Cloud Rap ist eines der abgedrehtesten Kinder des HipHops. Es vereint Elemente der Chillwave-, Trap- und Emo-Rap-Genres, um einen nebulösen und narkotischen Fiebertraum von einem Sound zu kreieren, der nicht von wenigen geschmäht wird. Irgendwie entstand dennoch eine unfassbar einflussreiche Mikroszene, die Nerds, Gangstas, Introvertierte, Party-Freunde und Pop-Stars zugleich zusammenbrachte und Künstler wie A$AP Rocky, Lil B und den Producer Clams Casino in den Mainstream hievte.
Kein Rapper wollte an dieser Szene so wirklich teilhaben, doch fand der eigenwillige Sound dennoch seinen Weg in den gegenwärtigen HipHop. Wir werfen einen Blick auf die Anfänge von Cloud-Rap und auf seine Entwicklung bis heute.
Roland TR-808

Roland TR-808

© John Smisson

Wie klingt Cloud-Rap?

Der Sound entwickelte sich in den späten 2000er-Jahren aus Elementen der US-amerikanischen Southern-HipHop-Szene – vor allem der Trap-Sound aus Atlanta, Houston und Memphis spielte dabei eine tragende Rolle. Der lang gedehnte Rap-Stil und die Anbetung der Roland TR-808 Drum-Machine sind die markantesten Bestandteile dieses Genres. Der langsame, zähe Flow wird dabei von den Double-Time-Snares und den dröhnenden Kicks des Traps mehr oder weniger untergraben, während die Beats mit Collagen abgedrehter, psychodelischer Samples garniert werden. Als Hörer fühlte es sich eher so an, als würde man von einem Rap-Song heimgesucht, als einen solchen einfach nur zu hören.

Woher kommen diese seltsamen Sounds?

Man kann getrost behaupten, dass Cloud Rap als eine Art Unterschlupf für seltsame Sounds aller Art fungiert. Alles von J-Pop über Videospiel- bis hin zu Anime-Soundtracks ist erlaubt. New Wave und Ambient, Genres also, die auf den ersten Blick gegen den traditionellen HipHop sprechen würden, brachten weitere fruchtbare Elemente in den Mix. Cloud Rap-Producer lieben es, Musik aus dem Nichts zu gestalten, die aber auch einmal etwas roher klingen kann. Clams Casino etwa meinte, dass er gerne mit „unterschiedlichen Texturen und Sound-Designs spielt. Etwas, das so klingt, als würde es direkt von einer klassischen Kassette kommen, mit all den Zischtönen, oder, als wäre es in freier Natur aufgenommen worden, mit all den natürlichen Geräuschen des Lebens im Hintergrund.“ Sein Track „All Nite“ ist der beste Beweis dafür, dass sich aus einfachem Vogelgezwitscher so einiges machen lässt.
Clams Casino hat auf seinem Track "All Nite" Nachtigallen gesampelt.

Clams Casino hat auf seinem Track "All Nite" Nachtigallen gesampelt.

© John Smisson

Worüber rappten die Cloud-Rapper?

Bezeichnend sind die unbefangenen Raps, die sich dahinziehen wie dickflüssiger Sirup. Die Themen zeigten sich vielschichtig: A$AP rappte über Sex und Drogen und noch mehr Sex und Drogen, während der schwedische Cloud Rap-Vertreter Yung Lean mit stringenten Rhymes das Alleinsein und die Depression thematisierte (etwa „Sad boys they be shining, shining/Focus on whining, whining“ aus „Lightsaber/Saviour“). Samples weiblicher Vocals sind ein üblicher Weg, um dem einen Kontrast zu geben. Die britische Künstlerin Imogen Heap etwa hat denkbar wenig mit HipHop am Hut, dennoch ist sie auf einigen Tracks von Lil B und in „Demon“ von A$AP Rocky prominent vertreten.

Wie kam es zu Cloud Rap?

Die meisten HipHop-Szenen sind Produkte ihrer Umwelt und referenzieren die musikalische Identität einer bestimmten Region, innerhalb derer Künstler aufeinandertreffen, Einflüsse teilen und miteinander kollaborieren. In Sachen Cloud Rap gestaltete sich das etwas anders. Die Heimat dieses Genres ist SoundCloud, während Producer und MCs einzelne Elemente per E-Mail austauschten und auf diese Weise zusammenarbeiteten. SoundCloud setzte sich damit gegenüber YouTube durch und wurde zur präferierten Plattform für Underground-Künstler. Nachdem teure Visuals nun nicht mehr notwendig waren, bot sich damit noch unbekannten Künstlern wie Lil Tracy, Lil Peep (RIP) und ihrem Goth Boi Clique-Kollektiv die Gelegenheit, sich zu zeigen.
Sieht so Cloud Rap aus?

Sieht so Cloud Rap aus?

© John Smisson

Wer waren die Major Player?

Clams Casino, Lil B, A$AP Rocky und seine A$AP Mob-Crew, Yung Lean und Main Attrakionz bilden den Kern dieser Szene. Das erste Cloud Rap-Meisterwerk legte Lil B mit „I’m God“ hin, das das Credo und die Catchphrase „based“, das so viel bedeutet wie „bleib dir selbst treu“, festlegte. „Peso“ von A$AP Rocky brachte den Sound in den Mainstream, da der einflussreiche HipHop-Radiosender Hot97 das Kernstück von Rockys „Live.Love.A$AP“-Mixtape annahm, obwohl dieser nirgendwo unter Vertrag stand. Auf der anderen Seite scharte sich der SoundCloud-Fundamentalist Bone eine immense Fanbase um sich, nachdem er sich weigerte, einem Label beizutreten.
A$AP Rockys Live.Love.A$AP-Mixtape

A$AP Rockys Live.Love.A$AP-Mixtape

© John Smisson

Welchen Einfluss hatte Cloud Rap auf andere Künstler?

Zwar zeigte sich die Musikszene dem Cloud Rap gegenüber zunächst etwas abgeschreckt, doch scheint es fast schon ironisch, dass das Sub-Genre seine Einflüsse auf die tiefsten Tiefen des Underground-Raps bis hin zu den höchsten Höhen des Mainstreams ausübte. Künstler wie Rihanna, Beyonce und The Weeknd sind hier besonders herauszustreichen. RiRi war sogar in einer Video-Version von A$AP Rockys „Fashion Killa“ zu sehen. Auch die R&B-Stars SZA und Miguel führten fundamentale Elemente des Cloud Raps in eine neue „Neo-Soul“-Richtung, während XXXTentacion, Lil Pump und Smokepurp den Geist auf lautere Art und Weise am Leben erhalten.

Was macht der Kern der Szene jetzt?

A$AP ist nicht das einzige Mitglied der Cloud Rap-Crew, das sich zu Höherem berufen sieht. Raider Klan-Abkömmling Xavier Wulf hat mit seiner Kollabo mit Skepta groß aufgezeigt, während SpaceGhostPurrp, der Lead-Rapper des Kollektivs, ein ganz eigenes Genre kreiert hat, das sich „Phonk“ nennt und die Karriere des aufsteigenden Stars Lil Uzi Vert mächtig anheizte. Währenddessen bezeichnete Danny Brown Lil B erst kürzlich als „David Bowie des HipHop“. Lil B ist letztlich der Mann der Szene, der MCs wie Future oder Kanye-Protegé Desiigner maßgeblich beeinflusste und Rapper wie Young Thug mit seiner „Cross-Dressing“-Mentalität ansteckte.
Lil B: Der David Bowie des HipHops.

Lil B: Der David Bowie des HipHops.

© John Smisson

Aber nicht nur international hat Cloud Rap einen Höhenflug: In Österreich sind Vertreter wie Yung Hurn oder Crack Ignaz inzwischen im gesamten deutschsprachigen Raum für ihren relaxten Zugang zur Musik bekannt. Letzterer meint sogar im Interview mit LGoony, dass er die Cloud ist: 
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