Skateboarding
Dias will mehr Challenges: "Ich skate heute mehr, als mit 25 Jahren"
Mit 40 Jahren auf dem Skateboard ist die brasilianische Legende Sandro Diaz mit fast 50 Jahren unermüdlich und findet es immer noch seltsam, als Meister des Sports bezeichnet zu werden.
Als Sandro Dias Mitte der 1980er Jahre an seinem ersten Skateboard-Contest teilnahm, wollte er alle Punkte auf dem Anmeldeformular ausfüllen. Aber er kam nicht dazu, sich einen Spitznamen auszudenken. Er hatte noch nie einen richtigen Spitznamen gehabt. "Nimm Mineirinho, so nennt dich dein Onkel", schlug seine Mutter Leila vor. Afonso, sein Vater, war als Mineiro bekannt.
Der Junge schrieb Mineirinho ohne viel Überzeugung, aber der Spitzname blieb hängen - und wie! Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass es keinen Skateboarder auf der Welt gibt, der die brasilianische Legende hinter diesem Namen nicht kennt.
Dias ist einer der Größten in der Geschichte des Skateboardens, dreifacher Weltmeister und dreifacher X-Games-Goldmedaillengewinner. Ein Junge, der im Alter von 10 Jahren in den Straßen von Santo André, wo er 1975 geboren wurde, mit dem Skaten anfing und später den ganzen Planeten eroberte.
01
Ein Kinderspiel
Sandro Dias stieg Mitte der 1980er Jahre zum ersten Mal auf ein Skateboard, als Brasilien gerade im Skateboard-Fieber war. Damals hatte der ältere Bruder seines besten Freundes, Xan, ein Skateboard gewonnen. Dias und Xan stülpten einen Autoreifen darüber und fuhren die Hänge von Santo André hinunter.
An Weihnachten bekam Dias von seinen Eltern ein eigenes Skateboard und fing an, in den Parks in Santo André und São Bernardo do Campo in São Paulo zu fahren. Schon bald zeigte er, dass er mehr drauf hatte, als die anderen und 1988, drei Jahre nachdem er zum ersten Mal auf ein Skateboard gestiegen war, wurde er brasilianischer Meister bei den Anfängern.
02
Vorurteile und Schwierigkeiten
Zu dieser Zeit galt Skateboarding in Brasilien noch nicht einmal als Sport und Skater hatten mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. In der weitläufigen Stadt São Paulo wurde es sogar vom damaligen Bürgermeister Jânio Quadros verboten. Das waren nicht die einzigen Schwierigkeiten. Der Zugang zu moderner Ausrüstung, die importiert wurde, war sehr schwierig und die Skater mussten Bestellungen bei Bekannten im Ausland aufgeben und hoffen, dass sie Skate-Stuff in Koffern mitbringen würden.
Die Brasilianerinnen und Brasilianer konnten die Entwicklung der internationalen Szene auch nicht so einfach verfolgen - ohne Internet oder Mobiltelefon aber dank seltener VHS-Kassetten, die in Brasilien ankamen, oder Fotos in längst veralteten Zeitschriften, die per Post nach Brasilien geschickt wurde, erfuhren sie von den neuesten Tricks ihrer Skate-Idole.
Wir sahen uns die Bilder auf Papier an, versuchten zu erraten, welche Bewegungen die Jungs gemacht hatten.
Sie hätten dann auch versucht, die Pros nachzuahmen. Dias erinnert sich: "Unser technisches Niveau lag weit unter dem der Amerikaner und Europäer, deshalb war die Entwicklung sehr langsam. Es dauerte etwa 10 Jahre, bis sich die Szene verbesserte, bis wir einen Laden hatten, der importierte Teile in São Paulo verkaufte und bis die Parks anfingen zu wachsen."
03
Guter Mann
Treffen mit Fans auf der Red Bull Drop In Tour
© Allan Estevam Carvalho Teixeira/Red Bull Content Pool
Die nationale Szene war immer noch prekär, aber der Junge von ABC war talentiert und fand bald Anschluss an die ältere Skate-Crowd. Dias war jedoch verantwortungsbewusst, geriet nicht in Schwierigkeiten und machte seinen Eltern keine Schwierigkeiten. Deshalb hatte er von klein auf viele Freiheiten, um auf der Straße zu skaten und von einem Park zum anderen zu ziehen. In den Parks in Santo André und São Bernardo traf er alle möglichen Menschen, vom Profi-Skateboarder bis zum Bankräuber.
"Ich war ein 13- oder 14-jähriger Junge, der sich mit niemandem anlegte und niemand legte sich mit mir an. Alle respektierten sich gegenseitig und ich wurde immer für einen Einheimischen aus São Bernardo gehalten, obwohl ich aus Santo André stammte", sagt er.
Der ruhige Junge hatte eine große Begabung für das Skateboarden und für die Veteranen war er ein idealer Schüler. Dias versuchte immer, mit den Besten zu fahren, und so kam er in Kontakt mit den Top-Fahrern der damaligen Zeit wie Sérgio Negrão und Edsinho. Seine erste internationale Skate-Reise führte ihn 1988 im Alter von 13 Jahren nach Kalifornien, in Begleitung der beiden und Tio Liba.
Skateboard-Legende Sandro Dias performt auch beim Wings for Life World Run
© Fabio Piva for Wings for Life World Run
"Es war ein Traum. Wir sahen uns die Videos der Amerikaner an und der Traum eines jeden Skateboarders in Brasilien war es, nach Kalifornien zu gehen und dort eine Saison zu verbringen. Alles war perfekt: die Bürgersteige, die Pisten, die Halfpipes. Du kehrst mit einer anderen Sicht auf das Skateboarden, mit anderen Wünschen und mit gutem Stuff zum Anziehen zurück. Und ich mit dem Wunsch aus meiner Kindheit: 'Wow, eines Tages möchte ich hier leben'."
Spoiler: Dias erfüllte sich nicht nur seinen Kindheitstraum, sondern verbrachte auch fast 20 Jahre in Kalifornien.
04
Wichtiger Wendepunkt
Bevor er Profi wurde, tat Dias das, was sich seine Eltern erhofft hatten: Er schloss das College ab. Damals war es in Brasilien noch zu riskant, auf eine professionelle Skate-Karriere zu setzen, also war es wichtig, einen Plan B zu haben.
Anfang der 2000er Jahre schloss er sein Studium der Betriebswirtschaft ab und begann, für die Firma seines Vaters zu arbeiten. Aber er verdiente bereits viel mehr Geld mit dem Skateboarden als mit der Arbeit für das Familienunternehmen. Er arbeitete von Montag bis Donnerstag oder Freitag, stieg dann in ein Flugzeug, um zu reisen, nahm an Contests teil und kehrte am Montag zu seinem Arbeitsalltag zurück.
"Als ich mein Studium abgeschlossen hatte, musste ich irgendwo hingehen, richtig? Da musste ich eine Entscheidung treffen: in die Vereinigten Staaten gehen und mich zu 100 Prozent dem Skateboarding widmen oder hier bleiben", erinnert er sich.
Sein Vater wollte Sandro nur ungern gehen lassen. Er wollte das Geschäft an seinen einzigen Sohn weitergeben (er hat noch drei Töchter), aber seine Mutter Leila, die ihn von klein auf zu Wettbewerben begleitet hatte, ermutigte ihn immer, zu gehen und das zu tun, was ihm gefiel.
Damals war ein Leben im Ausland die einzige Option für Brasilianer, die ganz oben mit skaten wollten. Die wichtigsten Veranstaltungen wurden von ausländischen Unternehmen organisiert, die vor allem auf die amerikanische und europäische Szene schielten. "Wenn wir nicht auf dem Circuit waren, wurden wir zu manchen Veranstaltungen nicht eingeladen. Von dem Moment an, als ich in die Vereinigten Staaten ging, fing ich an, bei allem mitzumachen, was dort passierte", sagt er.
05
Am der Spitze
Von Brasilien nach Kalifornien und dann in die ganze Welt. In der damals wichtigsten Skateboard-Szene der Welt angekommen, entwickelte sich Dias schnell weiter und die großen Erfolge stellten sich ein.
Im Jahr 2003 gewann er seinen ersten Vert-Weltmeistertitel und blieb dann bis 2007 ungeschlagen. Im Jahr 2011 kehrte er sogar im Alter von 36 Jahren an die Spitze zurück und holte insgesamt unglaubliche sechs Weltmeistertitel. In den 2000er Jahren wurde Dias außerdem dreimaliger Europameister und gewann 2004, 2006 und 2007 einen Gold-Hattrick bei den X-Games.
Als seine Karriere Fahrt aufnahm, merkte Dias, wie entfernte Idole - sowohl geografisch als auch vom Können her - näher kamen. Er war auf Augenhöhe mit den Besten, die seine Freunde wurden.
Schon bevor ich anfing zu gewinnen, hatte ich die verrückte Erfahrung gemacht, mit den Jungs abzuhängen, die ich in Brasilien bewunderte.
"Ich lernte gerade skaten und war plötzlich neben Edsinho. Ich kaufte ein Brett von Negão. Es war wirklich verrückt. Die Jungs waren meine Idole", erinnert er sich. "Dann kam ich in die Nähe von Typen wie Tony Hawk, Christian Hosoi und Steve Caballero. Bis heute ist das ein bisschen wie ein Kopfkino. Ich ertappe mich bei Events immer noch dabei, wie ich die Jungs wie ein Kind bewundere. Ich habe Hosoi 1985 oder 1986 zum ersten Mal bei einem Auftritt gesehen und er war nicht von dieser Welt. Wir dachten, wir würden sein Niveau nie erreichen."
Während er die vertikalen Rampen der Welt eroberte, förderte Dias das Skateboarding in Brasilien, indem er selbst Meisterschaften organisierte.
Er hat mehrere Ausgaben von D-Day, einem angesehenen Vert-Contest, organisiert, war an der Produktion des Jump Festivals beteiligt und veranstaltet Camp-onato auf seiner Farm in Vargem, São Paulo. Dort hat er auch seinen Traum verwirklicht, ein Skateboard-Camp zu gründen, das Bildung, Sport und Freizeit für Kinder an einem Ort zusammenbringt.
Wenn ich sehe, dass die Leute mich Meister nennen, bin ich immer noch überrascht. Ich fühle mich nicht wie ein Meister, ich fühle mich immer noch wie ein Kind
06
Angetrieben von Herausforderungen
Dias hat sich schon immer gerne selbst herausgefordert und ging noch einen Schritt weiter, als er sich einem Projekt, bei dem auf der Estaiadinha-Brücke in São Paulo geskatet werden sollte. Die körperlichen und technischen Herausforderungen waren immens, aber was ihn wirklich packte, war der psychologische Teil. Die Angst, ein seltenes Gefühl in seiner Routine, nahm überhand und drohte zum ersten Mal, seine Leistung zu behindern.
Der Skater bekam das Setup auf der marginalen Tietê-Brücke erst zum Zeitpunkt der Challenge zu sehen und musste sich davor zum ersten Mal in seinem Leben zur Rampe abseilen, während ein Strom von Autos unter seinen Füßen vorbeifuhr.
3 Min
Sandro Dias skatet auf der Estaiadinha-Brücke 45 Meter über dem Boden
Skater Sandro Dias fährt eine Halfpipe auf der Estaiadinha-Brücke in São Paulo 45 m über dem Boden.
Dias nutzte Visualisierungsstrategie an, die oft von Profisportler:innen verwendet wird. Er ging im Kopf alles durch, was er vom Start bis zum Ziel tun musste, und setzte es auf der Brücke in die Tat um, ohne sich von anderen Gedanken ablenken zu lassen:
Ich habe mich abgeschottet, auf nichts anderes geachtet und angefangen zu laufen, bis ich mich wohl fühlte. Nach und nach wurde ich lockerer und wurde ruhig.
07
Talent vs. Vorbereitung
Dias gibt jedes Mal, wenn er auf seinem Skateboard steht, 100 Prozent
© Marcelo Maragni/Red Bull Content Pool
In seinen mehr als 30 Jahren als Skateboarder hat Dias historische Tricks gelandet. Ihm gelang es, den Weltrekord für den höchsten Aerial in einer Halfpipe zu brechen, indem er 4,20 m über das Coping flog. 2004 war er der dritte Mensch auf der Welt, der einen 900er schaffte. Er war auch der Erste, der diesen Trick im Rahmen eines Contests landen könnte.
Wer die akribische Vorbereitung von Profisportler:innen heutzutage verfolgt, kann kaum glauben, dass Dias all das geschafft hat, ohne jemals einen Fuß in die Turnhalle gesetzt zu haben und dass ernsthafte Verletzungen nie Teil seiner Karriere waren. "Ich wurde 2015 am Meniskus operiert, aber da war ich auch schon 40 Jahre alt und 30 Jahre lang Skateboarder. Eines Tages hätte der Meniskus geknurrt", sagt er. Nach einem Monat intensiver Physiotherapie war er wieder zurück..
"Ich war schon immer sehr diszipliniert. Ich habe nie Alkohol oder Drogen konsumiert, obwohl ich nie aufgehört habe, Spaß zu haben und meine Jugend zu genießen. Ich glaube, was mich die ganze Zeit über körperlich und psychisch gesund gehalten hat, ist, dass ich das Skateboardfahren einfach liebe. Ich fahre nie halbherzig. Wenn ich auf ein Skateboard steige, dann nur, um immer mein Bestes zu geben", erklärt er.
Dias sagt, er fühle sich immer noch wie ein kleiner Junge und sei überrascht, dass er überall, wo er hinkommt, Meister genannt wird: "Wenn ich sehe, dass die Leute mich Meister nennen, bin ich immer noch überrascht. Ich fühle mich nicht wie ein Meister, ich fühle mich immer noch wie ein Kind.
"Ich fahre seit 40 Jahren Skateboard und werde bald 50. Als ich anfing, war es unvorstellbar, dass ein Mann in meinem Alter gut skaten kann. Jetzt ist Tony Hawk 56, Caballero ist 60 und sie fahren immer noch, aber nicht auf meinem Niveau. Heute fahre ich auf dem Niveau, das ich mit 25 hatte. Ich fahre mehr als all die jungen Leute, die mit mir auf den Rampen fahren."
Deshalb hört Dias auch nicht auf. Er ist bereit für neue Herausforderungen, um weiter Spaß auf seinem Skateboard zu haben und sein Vermächtnis noch weiter auszubauen.
08
Der nächste Rekord: Sieh dir Sandro Dias' Building Drop live auf Red Bull TV an
Red Bull Building Drop: Replay
Die brasilianische Skate-Legende Sandro Dias nimmt die größte jemals gebaute Rampe in Angriff. Schau dir jetzt im Replay an, wie Dias Skate-Geschichte geschrieben hat!
Am Donnerstag, den 25. September, wird Sandro Dias einen komplett neuen Stunt in der Geschichte des Skateboardens wagen: Er wird beim Red Bull Building Drop die geschwungene Kurve eines hohen Gebäudes in Porto Alegre, Brasilien, herunterfahren.
Dias beginnt mit einem 30-Meter-Drop - der bereits höher ist als eine normale Mega-Rampe - und arbeitet sich allmählich bis zu einer bahnbrechenden 75-Meter-Abfahrt vom Dach des kultigen Centro Administrativo Fernando Ferrari (CAFF) vor. In Anwesenheit der Guinness World Records™ Offiziellen verspricht dieses globale Event, die Entwicklung des Skateboardens auf ein neues Level zu heben und Skater auf der ganzen Welt zu inspirieren.
Verfolge den Versuch von Dias, Geschichte zu schreiben, live auf dem Red Bull TV YouTube-Kanal und auf Red Bull TV ab 12 Uhr Ortszeit.
Red Bull Building Drop wird Skateboard-Geschichte schreiben
© Victor Eleutério Costa/Red Bull Content Pool