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Sifu - Die Evolution eines Arcade-Genres
Ein Kung-Fu-Film zum selbst spielen: Sifu bietet Martial Art-Action mit einer spannende Mechanik, die euch innerhalb eines Levels vom jungen Faustkämpfer, zum ergrauten Altmeister werden lässt.
Sifu erzählt eine klassische Rache-Story im Stil von Kill Bill. Ihr übernehmt die Rolle eines, wahlweise männlichen oder weiblichen, Kung Fu-Schülers, der im Prolog mit ansehen muss, wie sein Vater von einer Gruppe abtrünniger Kampfkünstler ermordet wird. Euch widerfährt dabei dasselbe Schicksal. Doch wie durch ein Wunder überlebt ihr. Die Geschichte startet acht Jahre später. Ihr seid erwachsen geworden und habt die vergangenen Jahre damit verbracht alles über die fünf Bösewichte herauszufinden, die euch damals angegriffen hatten.
Virtuelles Kung-Fu in Reinkultur
Damit fällt das Setup der Geschichte relativ simpel aus. Auch das Gameplay wirkt auf den ersten Blick nicht komplex. Mit euren Kung Fu-Künsten deckt ihr Gegner in linearen Levels mit leichten und starken Angriffen ein. Attacken eurer Kontrahenten könnt ihr abwehren, parieren oder ihnen ausweichen.
Doch es sind die zahlreichen Feinheiten von Sifus Kampfsystem, dass den Titel zu einer gut geölten Martial Arts-Maschine anwachsen lassen. Sowohl ihr, als auch eure Gegner verfügen über einen Ausdauerbalken. Dieser füllt sich, wenn einen Angriffe treffen, oder diese geblockt werden. Schafft ihr es den Balken eures Gegenüber komplett zu füllen, könnt ihr einen Finisher ausführen, der euch etwas Lebensenergie zurückgewinnen lässt. Wird eure Ausdauer hingegen gebrochen, geratet ihr ins Taumeln und seid für einen kurzen Moment ungeschützt.
Ein essenzieller Teil von Sifu ist also die Defensive. Ihr müsst euch jederzeit zwischen unterschiedlichen Methoden der Schadensvermeidung entscheiden. Blockt ihr, steht ihr nach einer Attacke näher an eurem Gegner, aber eure Ausdauerleiste füllt sich. Versucht ihr zu parieren, geht ihr das Risiko ein getroffen zu werden. Ihr könnt auch mit einem schnellen Ausweichmanöver versuchen dem Angriff zu entkommen. Allerdings reichen viele Attacken weit genug, um euch dennoch zu treffen, solltet ihr das falsche Timing nutzen.
Doch keine Sorge. Euch stehen auch, im Spielverlauf zunehmend offensive Techniken zur Verfügung. Mit Fußfegern lasst ihr eure Gegner zu Boden gehen, um euch etwas Zeit zu verschaffen. Sammelt ihr genug Fokus-Energie könnt ihr besondere Angriffe nutzen, um zusätzlichen Schaden zu verursachen oder eure Feinde benommen zu machen. Auch könnt ihr unterschiedliche Objekte, die ihr in den Level findet, als Waffen benutzen. Wie in klassischen Kung Fu-Filmen greift ihr hier zu Flaschen, Holzbrettern und Stahlrohren.
Vom Grashüpfer zum Altmeister
Es wird nicht lange dauern, bis sich eure Lebenspunkte zum ersten Mal auf Null fallen. Damit endet euer Abenteuer allerdings nicht. Jedes Mal, wenn ihr sterbt, habt ihr die Chance Erfahrungspunkte auszugeben, um neue Techniken zu erlernen. Anschließend nutzt euer Charakter seinen magischen Talisman, um dem Tod von der Schippe zu springen und wieder aufzustehen. Das hat allerdings einen Nachteil. Mit jedem Ableben steigt euer Todes-Counter um eins. Belebt ihr euch dann wieder, wird euer Alter um diese Zahl erhöht.
Ihr beginnt das Spiel mit 20 Jahren. Im Laufe eurer Rachefeldzugs werdet ihr also, teilweise rapide, altern. Dies zeigt sich zum einen an der Optik eures Charakters, aber auch an dessen Fähigkeiten. Im hohen Alter werdet ihr gebrechlicher und könnt weniger Treffer einstecken. Dafür teilt ihr aufgrund eurer wachsenden Erfahrung kräftiger aus.
Das Zunehmen eures Alters ist dabei permanent. Auch wenn ihr ein Level erfolgreich abschließt, setzt sich dieses nicht zurück. Die einzige Möglichkeit wieder 20 Jahre alt zu sein ist, von der ersten Stage zu starten. Allerdings erlaubt euch Sifu Fähigkeiten, die ihr in eurem vorherigen Run fünf Mal erlernt habt zu behalten. Auf diese Weise beginnt ihr euren neuen Anlauf mit einem größeren Move-Arsenal.
Trotz ihres jungen Alters ist die türkische Red Bull Athletin Kübra Dağlı bereits jetzt eine echte Taekwando-Meisterin. Hier waren einige Level-Ups im echten Leben notwendig, um dort zu sein, wo sie jetzt ist.
Nichts für Button-Masher
Sifu bietet zu jederzeit einen spannende Tanz aus Angriff und Verteidigung. Jede Situation erfordert eure volle Aufmerksamkeit. Wer hofft sich mit wildem Knöpfe-Drücken durch die Handgemenge boxen zu können, wird schnell frustriert sein. Im Gegenzug bietet das Spiel einem jedes Werkzeug, das man benötigt, um die zahlreichen Feind-Begegnungen zu überleben. Das beinhaltet allerdings, dass man viele Szenarien mehr als einmal spielen muss, bevor man diese meistern kann. Dabei bleibt der Titel immer sehr fair. Selbst wenn man manche Passagen verflucht und sich fragt, wie man diese überhaupt schaffen soll, versucht man es dennoch immer wieder. Und wenn es erst einmal “Klick” macht, und man sich fast fehlerfrei durch Gegnerwellen kämpft, die zuvor unüberwindbar gewirkt hatten, fühlt man sich wie ein wahrer Martial Art-Meister.
Besonders Gefechte gegen Gruppen aus Gegnern sind fordernd. Während ihr von allen Seiten mit Angriffen bombardiert werdet ist es essentiell zu verstehen, welcher Feind gerade die größte Bedrohung darstellt und diesen zu fokussieren. Das systematische Zerlegen eines wütenden Mobs ist anspruchsvoll, aber auch gleichzeitig ein befriedigendes Handkanten-Puzzle.
Das Spiel schenkt einem nichts. Aber dafür weiß Sifu genau, wie man belohnende Momente generiert, die einen als Spieler motivieren. Gepaart mit dem extrem knackigen Kampfsystem, das euch volle Kontrolle über eure Aktionen gibt, entsteht ein Kung Fu-Spektakel, das es auf diesem Niveau bisher noch nicht gegeben hat.
Ein Beat ‘em Up für die Neuzeit
Durch seinen Schwierigkeitsgrad und seine Struktur fühlt sich Sifu wie eine moderne Evolution des Beat ‘em Up-Genres an: Spiele wie Final Fight, Streets of Rage und Double Dragon teilen viel von Sifus DNA. Der offensichtliche Vergleich ist hier natürlich der Martial Arts-Aspekt. Aber die Ähnlichkeiten gehen weit darüber hinaus. Wie in den Retro-Games bewegt ihr euch durch lineare Stages, die ihr nacheinander angeht.
In den letzten Jahren hat dieses Genre einen bedeutenden Aufschwung erhalten. Spiele wie River City Girls, von dem bald ein zweiter Teil erscheint, Streets of Rage 4 und das kommende Teenage Mutant Ninja Turtles: Shredder’s Revenge sind Beispiele für aktuelle Genre-Vertreter.
Auch andere Titel haben diesen Spielstil bereits in ihr Gameplay einfließen lassen. Am prominentesten ist hier wohl die Yakuza-Reihe, welche bisher oft als spirituelle Entwicklung zu der klassischen Sidescroll-Prügler betitelt wurde. Allerdings geht Yakuza dabei weit über diesen Aspekt hinaus. Um das knallige Kampfsystem strickt sich ein Game, das seinen Spieler mit einer tiefen Spielwelt, bedeutenden Charakter-Interaktionen und zahlreichen Minispielen konfrontiert.
Sifu hingegen fokussiert sich auf den Aspekt des Kampfes. Es gibt euch das Potenzial zu dem Kung Fu-Meister zu werden, den der Titel darstellen möchte. Dabei traut es sich dieses allerdings auf ein Niveau zu heben, dass über das unbeschwerte Knöpfe-Drücken seiner geistigen Großväter hinausgeht.
Die japanische Arcade-Szene, in denen viele dieser Genre-Giganten ihren Ursprung hatten, wird übrigens auch in der Red Bull Dokumentation “Playing Fields” behandelt. Andere Folgen geben zudem einen Einblick in die japanische Esport-Szene, sowie die Indie- und AAA-Games des Landes.
9 Min
Arcades
Insert coin, unleash memories: dive into Japan's arcade obsession.
Fordernd, stylisch und belohnend
Sifu ist ein Videospiel-gewordener Kung-Fu-Film. Eine Liebeserklärung an die asiatischen Action-Filme der 80er Jahre. Im selben Atemzug ehrt es nicht nur die Beat ‘em Up-Spiele der Arcade-Zeit, sondern zeigt auch, wie ein Game dieser Art in der aktuellen Zeit funktionieren kann.
Wer sich nicht vor einer Herausforderung scheut und Interesse an gut designten Kampfsystem hat, sollte Sifu nicht verpassen. Der Titel ist aktuell für PC (Epic Games) und PlayStation verfügbar.
