Radsport
Alles, was du über Cyclocross wissen musst
Cyclocross erfreut sich in der Welt des Radsports immer größerer Beliebtheit. Für Außenstehende kann das Spektakel aber schnell für Verwirrung sorgen. Hier erfährst du alles, was du wissen musst.
Auf den ersten Blick mag Cyclocross ein wenig seltsam erscheinen. Was bringt jemanden dazu, sich mit einem mehr oder weniger normalen Fahrrad über kaum befahrbare Strecken zu plagen? Und das alles bei den eisigen Temperaturen, die der Winter in der nördlichen Hemisphäre mit sich bringt. Aber genau das ist es, was einige Radsportler mit Freude tun, während sie auf der ganzen Welt bei Wettkämpfen gegen Gleichgesinnte antreten.
Auch wenn es mit dem Mountainbike auf ähnlichem Terrain viel einfacher zu fahren wäre, hat Cyclocross eine gewisse und einzigartige Anziehungskraft. Es vereint die besten Elemente von Straßenrennen, Mountainbiken und Crosslauf. Das Rennformat geht an die Substanz und ist mental und physisch extrem fordernd. Einig ist man sich in der Szene aber vor allem bei einem: Es macht unglaublich viel Spaß!
Was ist Cyclocross?
Cyclocross erinnert ein wenig an einen Hindernislauf bei Pferderennen. Aber mit einem Fahrrad. Einfach gesagt ist Cyclocross eine Offroadform des Radrennsports, bei der die Teilnehmer Hindernisse überwinden müssen. Typischerweise fährt man auf einem modifizierten Rennrad anstatt eines Mountainbikes. Der Untergrund, auf dem die Rennen ausgetragen werden, kann zwischen Wiese, Dreck, Schotter, Wald und sogar Sand wechseln. Und weil Cyclocross-Rennen in der Regel im Herbst oder Winter stattfinden, ist die Strecke meist schlammig.
Die Hindernisse können in den meisten Fällen auf dem Bike überwunden werden. Manchmal kommt es jedoch vor, dass die Fahrer absteigen und ihr Bike tragen müssen, um weiterzukommen. Ähnlich verhält es sich, wenn ein Teil der Strecke nicht befahrbar ist. Dann wird das Bike einfach geschultert und zu Fuß weitergemacht.
Eine Idee der Franzosen
Wer denkt, dass die seltsame Radsport-Disziplin eine moderne Modeerscheinung ist, liegt falsch. Cyclocross, oder kurz "CX", geht zurück auf Radrennen in Frankreich in den frühen 1900er-Jahren. Damals gab es nur sehr wenige Straßen und Fahrer fuhren häufig querfeldein, über Felder, durch Wälder und über Hügel, um ans Ziel zu gelangen. Auf diesen Strecken mussten die Fahrer aber Zäune und andere Hindernisse überwinden, um ihre Konkurrenten überholen zu können. Auch das Durchwaten von Flussläufen war dabei keine Seltenheit!
In den 1950ern wurden die Rennen dann besser organisiert und das Format vereinfacht. Die Strecken wurden kürzer und Rundkurse wurden eingeführt. Außerdem wurde Cyclocross immer mehr zu einem Wintersport. 1950 beteiligte sich schließlich die UCI an der ersten Weltmeisterschaft, die seither die Regeln und Paramater des Sports festlegt.
Alle lieben Cyclocross
Besonders im Norden Europas erfreut sich Cyclocross schon lange Zeit großer Beliebtheit. Aber auch in den Vereinigten Staaten beginnt das actionreiche Radsport-Spektakel Fuß zu fassen. Das Epizentrum des Sports liegt jedoch in Belgien und den Niederlanden. Die Einschaltquoten sind in diesen Ländern mit denen von Fußballspielen vergleichbar. Und wir wissen auch warum: Angesichts der Länge und der chaotischen Natur der Rennen, ist Cyclocross der perfekte Publikumssport. Die Disziplin ist bekannt für seine lebhafte Atmosphäre bei Events und lautstarkes Anfeuern ist mehr als nur erwünscht!
Für Kinder bedeutet Cyclocross häufig den Einstieg in die Welt des Radsports. Das liegt auch daran, dass man mit einem gewöhnlichen Mountainbike oder BMX an den ersten Rennen teilnehmen kann. Bei Kindern geht es in erster Linie um die Freude am Fahrradfahren aber auch für Erwachsene steht der Spaß an erster Stelle. Und jetzt einmal ehrlich: Wer würde nicht gerne mit seinem Bike im tiefen Schlamm fahren? Cyclocross ist nicht nur für Cyclocross-Spezialisten! Für Rennradfahrer ist es das perfekte Training außerhalb der Saison.
Das Bike
Von den frühen Anfängen bis heute hat sich in Bezug auf das Fahrrad, mit dem Cyclocross gefahren wird, nur sehr wenig geändert. Bei Spitzenrennen setzt man häufig auf Rennräder mit tiefem Lenker, aber man kann ohne Weiteres auch mit dem Mountainbike bei Rennen teilnehmen. Natürlich sind die Bikes häufig modifiziert und unterscheiden sich von der Art Rennrad, die man auf der asphaltierten Straße verwenden würde. Die häufigsten Veränderungen findet man in der Geometrie, der Bereifung und der Gangschaltung.
Die Geometrie eines Cyclocross-Bikes orientiert sich an den spezifischen Bedingungen, die man im Gelände vorfindet. Für ein besseres Offroad-Handling gibt es einen flacheren Lenkerwinkel, zur Überwindung von Hindernissen setzt man auf größere Abstände bei Reifen und Rahmen und ein höheres Tretlager. An einem Cyclocross-Bike findet man keine äußeren Federungssysteme. Hersteller integrieren jedoch unterschiedliche Technologien in ihre Bikes, um Stöße und Vibrationen zu absorbieren.
Ein Cyclocross-Bike ist auf die spezifischen Anforderungen angepasst
© Patrik Lundin/Red Bull Content Pool
Außerdem müssen die Bikes verhältnismäßig leicht sein, damit sie getragen werden können. Beim Design liegt das Hauptaugenmerk also immer darauf, das Gewicht zu reduzieren. Meistens haben die Bikes deshalb abgeflachte Oberrohre, Scheibenbremsen und doppelseitige Clip-Pedale. Die Schuhe haben Grip und sind in der Regel nicht so steif wie Rennradschuhe.
Helme sind bei Rennen ohnehin immer Pflicht. Auf höchstem Rennniveau setzt man häufig auf die Ausrüstung der Marke Lycra. Viele Cyclocross-Rennen werden außerhalb des UCI-Reglements organisiert - und dort ist alles erlaubt. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, weder bei der Strecke noch bei der Bekleidung. Fancy Dress-Cyclocross muss man gesehen haben, um es zu glauben!
Ein paar Regeln gibt es aber trotzdem
Moderne Cyclocross-Rennen werden hauptsächlich im Gelände ausgetragen, aber die UCI schreibt für ihre Weltcup- und WM-Rennen auch einen bestimmten Straßenanteil vor. Das Reglement besagt, dass eine Strecke ein abwechselndes Terrain haben sollte, um Änderungen im Tempo des Rennens zu fördern. Die Strecken sind in der Regel zwischen 2,5 km und 3,5 km lang.
Hindernisse sind nach wie vor ein wichtiger Bestandteil der Cyclocross-Disziplin. Auf den Strecken der UCI dürfen jedoch maximal 6 künstliche Hindernisse platziert werden. Erlaubt sind unter anderem Stufen, Bretter und Sandkästen. Die Rennen finden an festgelegten Zeiten statt und im UCI-Weltcup dauern sie ungefähr 60 Minuten. Vor dem Rennstart werden die Strecken von Offiziellen geprüft und kalkuliert und schließlich bekanntgegeben.
Der UCI-Weltcup findet jedes Jahr statt
Der UCI-Cyclocross-Weltcup in einer Saison besteht aus 10 bis 15 Wettkampfrunden und dauert von September bis Januar. Außerdem veranstaltet die UCI jährlich eine Weltmeisterschaft.
Belgien und die Niederlande sind die wichtigsten Cyclocross-Nationen und die meisten Weltcup-Rennen finden dort statt. Der Kalender 2022-23 umfasst 14 Stationen, darunter Dublin in Irland, Benidorm in Spanien und Val di Sole auf Schnee.
Wer kann sich bei den Cyclocross-Rennen im Weltcup durchsetzen?
© David Robinson/Red Bull Content Pool
Neben dem UCI-Weltcup gibt es zwei weitere wichtige Cyclocross-Serien, die während der Saison stattfinden und weltweit großen Bekanntheitsgrad haben - Cyclocross Superprestige und die DVV Trophy. Das Superprestige findet ausschließlich in Belgien und den Niederlanden statt, die DVV Trophy nur in Belgien. Die Top-Rider nehmen meist an allen drei großen Rennserien teil.
Diese Rider solltest du im Auge behalten
Jeder Sport lebt von seinen Helden und das ist auch bei Cyclocross nicht anders. Der erfolgreichste Cyclocrosser aller Zeiten (140 Siege) kommt aus Belgien und heißt Sven Nys. Mittlerweile befindet sich der Rekordmann allerdings im sportlichen Ruhestand.
Aktuell sind Wout Van Aert, Mathieu Van der Poel und Tom Pidcock die herausragenden Figuren in diesem Sport. Die drei dominieren aber nicht nur im Cyclocross, sondern konnten in den vergangenen Jahren auch große Erfolge bei der Tour de France feiern. Van der Poel und Pidcock sind derzeit wohl zwei der besten Bike-Allrounder der Welt und präsentieren ihre Klasse auch im Cross-Country regelmäßig. Pidcock ist nicht nur aktueller MTB-Olympiasieger, sondern auch amtierender Cyclocross-Weltmeister. Alle drei werden in der Saison 2022/23 zu sehen sein. Das Hauptaugenmerk wird aber wohl auf den UCI World Cyclocross Championships liegen.
Neben den Allroundern gibt es aber auch Cyclocross-Spezialisten, wie den Belgier Michael Vanthourenhout, Eli Iserbyt und Laurens Sweeck.
Bei den Damen gilt die Belgierin Fem van Empel als das große neue Talent. Sie ist erst 20 Jahre alt, fährt aber schon bei der Elite mit und gewinnt Rennen. Die Niederländerinnen haben mit Lucinda Brand, Annemarie Worst, Denise Betsema, sowie der Weltmeisterin Marianne Vos gleich mehrere starke Athletinnen.
Kata Blanka Vas ist ein Name, den man sich unbedingt merken sollte
© Mark Somay/Red Bull Content Pool
Das Feld der Top-Stars ist auch bei den Damen eine vielfältige Mischung aus Fahrerinnen mit den unterschiedlichsten Hintergründen. Nach ihren WM-Titelsiegen 2022 in den Disziplinen MTB und Gravel wird Pauline Ferrand-Prévot in dieser Saison wieder dabei sein und alles geben. Evie Richards und Jolanda Neff werden -- wenn es ihr dichter Terminkalender zulässt -- ebenfalls im Cyclocross zu sehen sein. Was die Talente für die Zukunft angeht, so sollte man sich Kata Blanka Vas unbedingt merken. Die junge Ungarin wurde erst kürzlich Europameisterin und ist mehr als ready, das Cyclocross-Feld ordentlich aufzumischen.
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