Nico Hojac & Adrian Zurbrügg
© John Thornton
Bergsport

«Wir wussten nicht, ob es überhaupt möglich ist»

Ende Juli haben Nicolas Hojac und Adrian Zurbrügg die Skyline des Berner Panoramas mit 65 Kilometer, 7'000 Höhenmetern und 10 Gipfeln in 37 Stunden überquert.
Autor: Susanne Loacker
5 min readPublished on

Nicolas Hojac, wann wurde Ihnen klar, was Adrian Zurbrügg und Sie vom 29. bis zum 31. Juli 2024 geleistet haben?

Nicolas Hojac: Es hat ein paar Tage gedauert. Als uns Freunde und Familie im Tal begrüssten, wunderten sie sich, wie emotionslos wir waren. Wir waren einfach nur müde. Als wir dann später am Eiger Aufnahmen machten, sahen wir weit weg den letzten Gipfel – da wurde es uns wirklich ganz klar.

Anzahl Gipfel

11

Zeit

37 Stunden und 5 Minuten

1/5
Die gekletterte Linie über die Skyline des Berner Panoramas

Die gekletterte Linie über die Skyline des Berner Panoramas

© Red Bull

Woher kam die Idee, diese elf Gipfel zu überqueren?

Nicolas Hojac: Die Idee gab es schon länger. Die Linie ist eigentlich offensichtlich – wenn man im Berner Oberland unterwegs ist, sieht man dieses Panorama und fragt sich, ob es möglich wäre, das alles in einem Push zu überschreiten. Als wir dann 2022 Eiger, Mönch und Jungfrau in einer neuen Bestzeit überschritten, wurde das Projekt realer: Wir fragten uns, ob wir auf dem Gipfel der Jungfrau nicht müder sein müssten. Wir hätten noch weitergehen können. Dort haben wir das Projekt ins Auge gefasst. Letztes Jahr mussten wir einen Versuch abbrechen, weil die Nullgradgrenze zu hoch war und der Schnee nicht gefrieren konnte über Nacht.

Was war der herausforderndste Aspekt an diesem Projekt?

Nicolas Hojac: Der Schlafmangel. Wir rechneten damit, dass wir rund 30 Stunden unterwegs sein würden, den grössten Teil davon in Absturzgelände. Wir wussten, dass Vorsicht geboten war. Der schwierigste Moment für mich persönlich war der Start: Wir sind mitten im Nachmittag gestartet, es war heiss, ich hatte viel gegessen und getrunken. Die ersten anderthalb Stunden fehlte mir der Elan, ich fühlte mich nicht angriffig, wir hatten beide schon Blasen an den Füssen. Mit der Zeit kam ich dann aber rein.

Adrian Zurbrügg und Nico Hojac

Adrian Zurbrügg und Nico Hojac

© John Thornton

Gibt es Gruppendruck, wenn man zu zweit unterwegs ist?

Nicolas Hojac: Adi und ich reden sehr offen über solche Sachen. Da Adi vom Laufen kommt, rennt er gleich los. Ich nehme es am Anfang eher gemütlich und muss ihn dann ein wenig bremsen. Dafür ist er dann im Gelände froh, wenn ich die eine oder andere schwierige Stelle vorausgehe. Wichtig ist aber, dass man die Stimmung nicht mutwillig runterdrückt, dass man nicht jammert, sondern eher zuversichtlich ist. Deshalb habe ich die Battle am Anfang auch mit mir selber ausgefochten. Man kann auch noch in den Flow kommen, wenns am Anfang nicht so gut läuft. Das war ein wichtiges Learning für mich.

Sie waren einen Teil der Zeit in der Dunkelheit unterwegs. Wie fühlt sich das an?

Nicolas Hojac: Manchmal kommt man sich schon ein wenig verloren vor. Wir wussten, dass die Nacht eine Herausforderung ist, eine Art Gegner. Nach dem Mönch kommt man ins Jungfraujoch, wo eine gemütliche Sofa-Lounge steht und Verpflegung auf einen wartet. Da ist die Versuchung schon gross, eine Ausrede zu finden, dass die Bedingungen doch nicht optimal seien, sich aufs Sofa zu setzen und am nächsten Morgen mit der Bahn heimzufahren – zumal man weiss, dass danach der Jungfrau-Ostgrat kommt, eine der schwierigsten Passagen. Dort in der dunkeln Nacht einzusteigen gibt schon ein mulmiges Gefühl. Auch, weil wir wussten, dass wir uns in der Gegend nach der Jungfrau in Gebiete bewegen würden, von denen teilweise im Führer steht, dass in den letzten Jahrzehnten keine Begehungen bekannt seien. Dort fing also das Abenteuer erst richtig an.

Kann man sich auf diese mentalen Herausforderungen überhaupt vorbereiten?

Nicolas Hojac: Adi ist recht erprobt mit Schlafmangel – nicht nur, weil er Familienvater ist, sondern auch, weil er schon Projekte mit sehr wenig Schlaf gemacht hat. Wir hatten aber auch im Vorfeld mit einem Arzt abgeklärt, welche Menge Koffein uns helfen würden. Ausserdem muss man seinen Körper gut kennen und wissen, wie es sich anfühlt, wenn der Gleichgewichtssinn langsam nachlässt. Dann balanciert man halt vielleicht nicht mehr freihändig über einen Grat, sondern stützt sich ab.

Wie viel Energie haben Sie in diesen gut 37 Stunden verbraucht?

Nicolas Hojac: Ich war letzthin an einem Vortrag und bekam dort viereinhalb Kilo Toblerone geschenkt. Jemand hat mir vorgerechnet, das sei ungefähr die Menge Kalorien, die ich bei dieser Tour verbraucht hätte. Ich habe nicht nachgerechnet, aber ich weiss, dass es fast 20'000 waren.

Die Landschaft ist atemberaubend.

Die Landschaft ist atemberaubend.

© John Thornton

Wie füllt man das auf?

Nicolas Hojac: Das geht unterwegs gar nicht. Wir haben versucht, jede Stunde ein Gel zu nehmen, Wasser natürlich, ein paar Chips und Gummibärli. Man muss vorgängig ein gutes Carboloading machen, die Reserven auffüllen. Während der Belastung werden dann die Depots geleert.

Wie lang hat es gedauert, bis Sie wieder einigermassen erholt waren?

Nicolas Hojac: Ich hatte lange Zeit Probleme mit den Zehen und Fussballen, habe mir aber sagen lassen, das sei recht normal. Bis ich wieder zu etwa 90% erholt war, hat es aber fünf Wochen gedauert. Mit aktiver Erholung habe ich natürlich schon vorher begonnen, aber ich merkte schon, dass die Energie noch nicht wieder da war. Das hat mir auch ein wenig Angst gemacht – ich hatte ja keine Erfahrung mit dermassen langer Belastung.

Die Nacht bricht über dem Berner Oberland herein.

Die Nacht bricht über dem Berner Oberland herein.

© John Thornton

Was gibt Ihnen ein solches Projekt?

Nicolas Hojac: Das Abenteuer. Man startet, man hat keine Ahnung, ob man das Ziel erreichen wird. Man weiss nicht, ob es überhaupt möglich ist. Wenn es dann klappt, ist es natürlich sehr befriedigend. Allerdings ist es auch immer ein wenig traurig, weil das grosse Ziel, auf das man hingearbeitet hat, plötzlich wegfällt. Ein lachendes und ein weinendes Auge, sozusagen.

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Nicolas Hojac

Mit 15 zum ersten Mal auf einem Viertausender, mit 23 zum Speedrekord auf dem Eiger: Nico Hojac ist Alpinist und Abenteurer durch und durch.

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