Bergsport
Spektakuläre Rekorde am Mount Everest
Seit der Erstbesteigung vor über 70 Jahren wurde der Mount Everest rund 9.000 Mal erklommen. Hinter einigen dieser Gipfelerfolge stehen einzigartige Rekorde – hier sind ihre spannendsten Geschichten.
Mit 8.848 Metern ist der Mount Everest der höchste Berg der Erde. In Nepal heißt er Sagarmatha, in Tibet Chomolungma – beide Namen bedeuten "Göttin des Himmels". Seit Jahrzehnten zieht er Abenteurer:innen aus aller Welt magisch an.
Inzwischen reicht vielen Bergsteiger:innen jedoch nicht mehr "nur" der Gipfelerfolg. Viele wollen einen Rekord aufstellen – und deshalb wird die Liste der außergewöhnlichen Besteigungen immer skurriler. So stand ein Alpinist in Shorts am Gipfel, ein anderer oben ohne, und ein Paar nutzte den höchsten Punkt der Erde für eine Hochzeit. Die nepalesische Regierung überprüft mittlerweile Expeditionen verstärkt, um sicherzustellen, dass die Besteigungen mit dem nötigen Respekt erfolgen.
Hier werfen wir einen Blick auf die Geschichten hinter einigen der spektakulärsten Everest-Momente, die es bis in die Rekordbücher geschafft haben.
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Erstbesteigung
Der Neuseeländer Sir Edmund Hillary und der nelpalesische Sherpa Tenzing Norgay ernährten sich bei ihrem legendären letzten Vorstoß zum Gipfel von Sardinen und Keksen. Sie trotzten starken Winden, einem gewaltigen Schneesturm und Temperaturen von -28 ºCelsius, um den Gipfel am 29. Mai 1953 zu erreichen.
Was jedoch die wenigsten wissen, ist, dass Sherpa Tenzing, bevor er sich der von den Briten geleiteten Expedition anschloss, im Jahr zuvor bereits mit dem Schweizer Raymond Lambert bis auf 150 m an den Gipfel herangekommen war.
Die erste erfolgreiche Besteigung im Jahr 1953 gelang nur drei Jahre, nachdem Nepal seine Grenzen geöffnet hatte und damit eine "einfachere" Route über die Südseite im Vergleich zur tibetischen Nordwand zugänglich wurde. Damals erlaubte die nepalesische Regierung jedoch lediglich eine Expedition pro Jahr – und die Plätze für die beiden darauffolgenden Jahre waren bereits von Frankreich und der Schweiz reserviert. Wäre die britische Expedition 1953 also gescheitert, hätten wohl andere Nationen ihre Flagge zuerst auf dem Dach der Welt gehisst.
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Erste Frau am Gipfel
Zweiundzwanzig Jahre nach der Erstbesteigung erreichte die Japanerin Junko Tabei als erste Frau den Gipfel des Mount Everest. Sie war Teil eines reinen Frauenteams und nahm die gleiche Route wie Hillary und Sherpa Tenzing.
Erstaunlicherweise wurde sie während des Aufstiegs von einer Lawine erfasst und ganze sechs Minuten lang verschüttet – bewusstlos unter den Schneemassen. Doch sie konnte lebend geborgen werden und setzte ihren Weg unbeirrt bis zum Gipfel fort. Später schrieb sie erneut Geschichte, als sie als erste Frau alle Seven Summits, also die höchsten Berge jedes Kontinents, bestieg.
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Die meisten Male auf dem Gipfel
Schon einmal auf dem Gipfel des Mount Everest zu stehen, gilt als außergewöhnliche Leistung. Doch ein Mann hat das Kunststück gleich 31 Mal vollbracht: Kami Rita Sherpa stellte diesen Rekord am 27. Mai 2025 auf. Für Nicht-Nepalesen hält der Brite Kenton Cool die Bestmarke. Der Bergführer und Alpinist erreichte am 17. Mai 2025 zum 19. Mal den höchsten Punkt der Erde.
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Erstbesteigung und Skiabfahrt ohne zusätzlichen Sauerstoff
Bargiel fuhr mit den Skiern ohne zusätzlichen Sauerstoff vom Everest ab
© Bartłomiej Pawlikowski/Red Bull Content Pool
Am 22. September 2025, nach fast 16 Stunden Aufstieg in der berüchtigten "Todeszone" des Everest (oberhalb von 8.000 m, wo der Sauerstoffgehalt gefährlich niedrig ist), schnallte sich der polnische Alpinist und Skifahrer Andrzej Bargiel direkt auf dem Gipfel des Everest in seine Skier und begann seinen Abfahrt über die Südsattelroute. In der Nacht erreichte er Lager II und ruhte sich aus - der Gipfelsturm hatte länger gedauert als geplant, so dass es bei Dunkelheit gefährlich und schwierig war, an diesem Tag weiterzumachen. Am nächsten Morgen fuhr er mit Skiern durch den tückischen Khumbu-Eisfall - zum Teil begleitet von einer Drohne, die sein Bruder Bartek geflogen hatte - bevor er sicher im Basislager ankam und der erste Mensch wurde, der den Mount Everest ohne Flaschensauerstoff mit den Skiern hinunterfuhr.
Das macht die Leistung umso bemerkenswerter: Zwar haben inzwischen über 9.000 Menschen den Everest bestiegen, doch nur etwas mehr als 200 Menschen wagten es jemals ohne zusätzlichen Sauerstoff. Einen Abstieg auf Skiern zu meistern, ist jedoch eine völlig eigenständige Höchstleistung – und etwas, das es zuvor in dieser Form noch nie gegeben hatte.
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Schnellster Aufstieg
Der Aufstieg vom Basislager zum Gipfel - ein vertikaler Aufstieg von fast 3,5 km - wird nur selten in einem Zug bewältigt, da die meisten Bergsteiger:innen zwischen verschiedenen Lagern auf- und absteigen, um sich vor dem letzten Vorstoß zu akklimatisieren.
Insgesamt würde eine gut trainierte und akklimatisierte Person für die Route vom Basislager bis zum Gipfel rund 34 bis 38 Stunden reine Gehzeit benötigen. Der Aufstieg gliedert sich in vier Etappen von jeweils etwa sechs Stunden: vom Basislager zu Lager 1, weiter zu Lager 2, dann zu Lager 3 und schließlich zu Lager 4 – stets mit zahlreichen Zwischenstopps zur Erholung. Der abschließende Gipfelaufstieg dauert je nach Bedingungen noch einmal 10 bis 14 Stunden.
Lhakpa Gelu Sherpa schaffte es 2003 in einem einzigen Durchmarsch vom südlichen Basislager aus in gerade einmal 10 Stunden, 56 Minuten und 46 Sekunden auf den Gipfel des Everest.
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Schnellster Abstieg
Marco Siffredi fuhr 2001 mit dem Snowboard in zweieinhalb Stunden vom Gipfel zum Basislager auf 6.400 m Höhe - aber er war nicht der erste, der den Berg hinunterrutschte.
Der Slowene Davo Karničar fuhr im Jahr 2000 bereits mit Skiern vom Gipfel zum Basislager. Er war der erste, der die gesamte Strecke zurücklegte. Bei seiner fünfstündigen Abfahrt verfehlte er damals nur knapp den erfrorenen Körper eines verunglückten Bergsteigers. Verglichen damit waren seine Skiabfahrten vom Mont Blanc, dem Matterhorn, dem Eiger und der Annapurna ein Kinderspiel.
Der Franzose Jean-Marc Boivin war 1988 mit dem Gleitschirm abgeflogen. Er rannte mutig einen 40 Meter hohen Abhang auf dem Gipfel hinunter, um die nötige Geschwindigkeit für den Start zu erreichen, und flog dann in 11 Minuten zum Lager 2 auf 5.900 Metern Höhe.
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Meditation am Gipfel
Die meisten Gipfelstürmer bleiben nur ein paar Minuten. Aber der Nepalese Bhakta Kumar Rai - auch bekannt als "Master Godangel" von der Sekte Heavenly Path - verbrachte 2011 32 Stunden auf dem Gipfel, davon 27 meditierend und 11 ohne künstlichen Sauerstoff.
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Erster Tweet
Im Jahr 2011 sendete der bereits erwähnte Kenton Cool den ersten Gipfel-"Tweet" als Teil einer Marketingkampagne. Auf seinem Twitter-Account schrieb er: "Everest-Gipfel Nr. 9! Erster Tweet vom Gipfel der Welt dank eines schwachen 3G-Signals."
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Gipfelsieg eines Astronauts
Nach fünf Shuttle-Missionen und insgesamt 47 Stunden im All wurde der Amerikaner Scott Parazynski 2009 der erste Astronaut, der den Gipfel des Everest erreichte – im dritten Anlauf. Auf die Frage nach dem Vergleich zwischen Weltraum und Berg antwortete er schmunzelnd: "Das ist wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Ich würde beides nicht eintauschen."
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Ältester Mensch am Gipfel
Yūichirō Miura aus Japan wurde 2013 im Alter von 80 Jahren der älteste Gipfelstürmer - vier Monate nach einer Herzoperation. Danach war er so müde, dass er mit dem Flugzeug von 6.500 m zum Basislager gebracht werden musste. Im Jahr 1970 war er der erste, der den Everest mit Skiern bestieg. Die Japanerin Tamae Watanabe stellte 2012 mit 73 Jahren den Rekord für die älteste Frau auf dem Gipfel auf.
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Jüngster Mensch am Gipfel
Am anderen Ende der Skala war der amerikanische Bergsteiger Jordan Romero der jüngste Mensch, der 2010 im Alter von nur 13 Jahren und 10 Monaten den Gipfel erreichte. Im Jahr 2014 krönte sich die Inderin Malavath Poorna zur jüngsten Gipfelstürmerin - sie war mit 13 Jahren und 11 Monaten nur einen Monat älter.
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Die Durchquerung
Ein gemeinsames Team aus China, Japan und Nepal schaffte 1988 eine spektakuläre Premiere: Sie erreichten den Gipfel zeitgleich von Norden und Süden – und stiegen anschließend auf den jeweils gegenüberliegenden Seiten wieder ab.
Auch Kushang Sherpa schrieb Alpingeschichte: Er war der erste Mensch, der den Everest über drei verschiedene Routen bezwang – 1993 über den Südsattel, 1996 über die Nordwand und 1999 über die berüchtigte Khangshung-Wand.
Der Australier Tim Macartney-Snape wiederum vollbrachte 1990 ein einzigartiges Abenteuer: Auf einer 1.200 Kilometer langen Reise wanderte er vom Meeresspiegel in Ganga Sagar an der Bucht von Bengalen bis auf den Gipfel des Everest. Er erreichte den höchsten Punkt der Erde schließlich im Alleingang – geschwächt von Übelkeit und Durchfall – und entging nur knapp einem Absturz, als er kurz innehielt, um seine Kamera einzustellen.
Die Britin Pauline Sanderson setzte 2006 noch einen drauf: Ihre Expedition begann am Toten Meer, dem mit 420 Metern unter dem Meeresspiegel tiefsten Punkt der Erde (an Land). Von dort legte sie eine unglaubliche Aufstiegsstrecke von 9.269 Höhenmetern zurück – fast sechs Monate war sie unterwegs. Am Ende stand sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Phil auf dem Gipfel des Everest. Damit wurden die beiden das erste Ehepaar, dem die Besteigung gelang.
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Der Sohn ruft an
Am 25. Mai 2003, nur vier Tage vor dem 50. Jahrestag der Erstbesteigung durch Sir Edmund Hillary, rief der Sohn der Bergsteigerlegende Peter seinen Vater per Satellitentelefon vom Gipfel aus an.