Music
DJ Avaion im Interview
Avaion fand seine Bestimmung früh und folgte ihr stur. Heute zählt der DJ zu den spannendsten Szene-Aufsteigern – mit Platinstatus in Südafrika und DJ Marshmello in den DMs.
On point
Wenn man kleine Jungs fragt, was sie werden möchten, wenn sie gross sind, sind die Antworten meist wenig überraschend: Baggerfahrer, Polizist, Pilot. Christopher Stein aus Fürth hätte bereits als Kind eine andere, ungewöhnlichere Antwort gegeben: DJ, keine Frage.
Im Alter von sechs fing er an, Klavierunterricht zu nehmen, es folgten Keyboard, Orgel und Gitarre. Eine besondere Faszination übte aber damals schon etwas anderes aus – nur wusste er zu dem Zeitpunkt selbst nicht genau, was das war. «Meine Eltern hatten eine krasse Stereoanlage im Schlafzimmer stehen. Ein riesiges Teil mit elffachem CD-Wechsler von Grundig, so was sieht man heute im Museum», erzählt er im Interview kurz vor seinem Auftritt beim diesjährigen Electric Love Festival bei Salzburg. «Sie hatten eine grosse CD-Collection mit viel deutschem Techno und 90er-Jahre-Dance-Hits. Ich habe mir immer irgendwas rausgesucht und durchgehört. Aber diese elektronischen Sounds, die habe ich nicht kapiert und mich jedes Mal gefragt, welche Instrumente das sein sollen.» Doch je älter er wurde, desto mehr verstand er. «Mit dreizehn, vierzehn Jahren wusste ich, das kann man selbst am Computer machen. Also schaute ich mir YouTube-Videos an, lud Programme runter und legte los. Dabei habe ich schnell gemerkt, dass das genau das ist, was ich will: komplette Songs selbst gestalten und nicht nur mit einem Instrument ein Teil von etwas sein.»
Musik ist für mich Liebe. In Zeiten wie diesen können wir das alle brauchen.
Heute, mit 28, macht er als Avaion genau das. Der Künstlername ist übrigens ein Überbleibsel aus Kindertagen, den er sich beim Spielen ausgedacht hat. Ob er den Zwang hat, alles allein machen zu wollen? «Ja, würde ich schon sagen», sagt er schmunzelnd. Wie sein Sound klingt? «Du kannst dazu tanzen, er ist melancholisch, gleichzeitig aber auch uplifting. So, wie deine Stimmung gerade ist, wird sie verstärkt.» Am besten könne man sich mit den Songs «Sleepless» oder «Other Side» ein Bild davon machen, meint er: «Das ist meine Stimme, meine Produktion, das ist 100 Prozent ich.»
Auch wenn er schon früh wusste, dass er seinen Traumjob gefunden hat, machte er sein Fachabi und eine Ausbildung zum Industriemechaniker. «Ich habe versucht, nicht alles wegen der Musik schleifen zu lassen … habe ich aber natürlich doch. Hätte ich diese Energie woanders reingesteckt, wäre ich vielleicht schon Arzt», sagt er. Nur um lachend hinzuzufügen: «Dafür spiele ich heute auf der Mainstage, also auch geil!»
«Okay, let’s work!»
2021 setzte er schliesslich alles auf eine Karte. «Das war die beste Entscheidung meines Lebens.» Auch wenn seine Mutter damals wenig erfreut darüber war, dass er nur noch Musik machen wollte. «Ich komme aus einem konservativen Haushalt, da war die Devise sinngemäss: studieren, arbeiten, Haus bauen, sterben. Ich habe mich aber nie in einem normalen Job gesehen.» Als sie dann bei den ersten Festivals dabei war und mit eigenen Augen sah, wie 10.000 Leute die Musik ihres Sohnes feiern, ergab das Ganze auch für sie einen Sinn. «Mittlerweile ist sie mein grösster Fan», so Christopher stolz.
Mit «Pieces», seinem ersten Hit, dem er auch seinen Plattenvertrag mit Sony Music verdankt, erreichte er bisher in acht Ländern Gold- und Platinstatus – darunter sogar in Südafrika. Zum jetzigen Zeitpunkt hat er mehr als zehn Millionen monatliche Hörer auf Spotify, Tendenz: steigend. Aufgenommen wird nicht mehr im heimischen Kinderzimmer, sondern im eigenen Studio in Erlangen. Und für die Single «Save My Love» hat ihm der sehr erfolgreiche US-DJ Marshmello aus dem Nichts eine Nachricht auf Instagram geschickt. «Er hat einfach nur gemeint: ‹Let’s work› – und ich dann so: ‹Okay, let’s work!›», erzählt Christopher. Nach einem einstündigen FaceTime-Call und mehrmaligem Ideen-Pingpong stand nur knapp drei Wochen später der fertige Song – mit keiner Geringeren als Singer-Songwriterin Ellie Goulding an Bord, die dem Track ihre Stimme leiht.
Arbeit an zweitem Album
Auf die Frage, ob es eher Fluch oder Segen sei, seine Bestimmung schon so früh gefunden zu haben, meint Christopher: «Absoluter Segen! Es ist natürlich ein gewisser Stress, etwas ganz Bestimmtes erreichen zu wollen, für mich war es aber immer ein Antrieb.»
Aktuell sehe er sich auf der Karriereleiter noch im unteren Mittelfeld. «Ich habe viel vor, arbeite am zweiten Album, und ich möchte mich mehr auf meine eigenen Shows konzentrieren. Die Energie im Raum, wenn alle mitgehen – das ist der Wahnsinn.»
Der Vibe sei am Ende auch das, worauf er bei seinen Songs am meisten achte: «Mir geht es weniger um das Lyrische. Die Emotion, die rüberkommt, muss stimmen. Musik ist für mich Liebe. Sie connectet Leute überall auf der Welt. Ich glaube, in Zeiten wie diesen können wir das alle sehr gut brauchen.»