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Kajaken

Adrian Mattern paddelt am Sarydschas, dem versteckten Juwel Kirgisistans

Adrian Mattern und seine Crew tauchten tief in die Tien-Shan-Berge ein, um einen wenig bekannten Fluss zu paddeln: den Sarydschas. Den Film siehst du oben!
Autor: Elijah Hiltebrand
6 min readveröffentlicht am
Wenn du noch nie vom Sarydschas gehört hast, dann ist das keine Überraschung. Wir haben es hier definitiv nicht mit dem Nil oder dem Amazonas zu tun und schon gar nicht mit der Donau oder dem Mississippi-River. Dennoch gehört er zur Klasse 5, was bedeutet, dass gefährliche Weißwasser-Schnellen hier die Norm sind. Der Sarydschas findet seinen Ursprung am Egilcheck-Gletscher am Fuße des Khan Tengri weit im Osten von Kirgisistan und fließt durch die Gebirgskette Tien-Shan Richtung China. Es ist ein Ort, der so abgeschieden und unfreundlich zu seinen Besuchern ist wie kaum ein anderer. Nur eine Handvoll Kajak-Fahrer sind ihn erfolgreich gepaddelt, womit es nur wenige Informationen zu den Stromschnellen, den dortigen Bedingungen und den Ausgangsrouten gibt. Das klingt doch nach Spaß, oder? Ja, aber nur, wenn du Adrian Mattern heißt, der den Großteil seines Lebens in einem Kajak verbracht hat.
Adrian Mattern im Kajak auf den Sary Jaz in Kirgisistan.

Wenn du dich ins Kajak sitzt, dann wirst du nass - so viel ist klar.

© David Sodomka

Adrian begann in einem Freestyle-Boot mit dem Kajakfahren, jenem Typ von Kajak, mit dem üblicherweise Tricks auf dem Wasser durchgeführt werden. Seitdem er acht Jahre alt ist, war es das einzige Boot, in das er passte. Er verliebte sich schnell in den Sport, schaffte es irgendwann in die Freestyle-Weltmeisterschaft, bevor er realisierte, dass das Programm der Freestyle-Wettbewerbe für ihn schlicht nichts war. Er wagte die 180°-Wendung und orientierte sich neu, um dort zu landen, wo er heute ist: neue Umgebungen mit dem Kajak zu erkunden. Seitdem hat er einige der größten und abgeschiedensten Weißwasser-Gegenden der Welt aufgesucht. Seinen Umschwung erklärt er folgendermaßen: "Keine Regeln mehr, keine Grenzen mehr...es geht allein darum, was du machen kannst und was du nicht machen kannst."
Dann kam der Sarydschas, ein Fluss, über den insgesamt nur wenig bekannt ist, womit die Regeln noch weniger umfangreich ausfallen. Es gibt nur zwei: Versau es nicht und paddle nicht unbeabsichtigt nach China.
In Sachen Abenteuer bringt es der Sarydschas so auf den Punkt, wie kein anderer Fluss. Adrian und seine Crew wussten von Beginn an, dass es keine leichte Herausforderung sein würde, aber die Anforderungen im Kajak waren noch die kleinste Sorge. Da es so gut wie keine Möglichkeiten zur Rettung oder für Support gab, während das Team auf Expedition war, musste es alle Eventualitäten in Betracht ziehen und notwendige Vorbereitungen treffen.
Adrian Matter inmitten seiner Ausrüstung für sein Abenteuer auf dem Sary Jaz.

Für ein Abenteuer dieser Größenordnung brauchst du Ausrüstung!

© David Sodomka

Adrian bringt es auf den Punkt: "Wenn du an diesen Ort reisen willst, dann musst du bereit sein...Jeder Fehler zieht schwere Konsequenzen nach sich." - womit Monate der Planung und des Sammelns von Ausrüstung, die in das schon selbst sehr schwere Kajak passen sollte, die Folge waren. Tatsächlich ist das Kajakfahren, so, wie es Adrian ausdrückt, "eigentlich einer der einfacheren Aspekte". Worin liegen dann die Herausforderungen? In so gut wie allem anderen!
Die erste Herausforderung bestand darin, überhaupt erst zum Fluss zu kommen. Mit einem Kajak zu reisen, stellt sich immer wieder als echte Schwierigkeit heraus - oft verbunden mit Lügen, die den Mitarbeitern der Airlines aufgetischt werden, und erfundene Geschichten darüber, was sich in den Taschen befindet, immer mit der simplen Hoffnung, dass du es irgendwie ins Flugzeug schaffst. Wenn das Boot mit dir an der geplanten Location ankommt, ist das in der Regel das Ende deiner Probleme - nicht aber in einem Land wie Kirgisistan.
Hier kommt Adrian Matterns neuer bester Freund ins Spiel: Dima. Er ist ein Schmuggler der sowjetischen Ära, der heute als Fahrer und Leiter von Expeditionen dieser Art arbeitet. Er hilft dabei, die Sprachbarrieren zu durchbrechen, Nahrung und Versorgungsgüter zu organisieren und die 12-stündige Fahrt von Bishkek nach Engilcheck irgendwie zu überstehen. Ohne ihn wäre diese Expedition nicht möglich gewesen.
Es stellte sich als immense Arbeit heraus, zum Wasser zu gelangen. Sobald die Crew aber angekommen war, war das Abenteuer perfekt.
Kompromisslose Stromschnellen, unglaubliche Landschaften, außergewöhnliche Camping-Spots - der Sarydschas und die Tien-Shan-Berge hatten alles zu bieten, was man sich nur wünschen konnte. Über etwa 11 Tage legte die Crew 180 Kilometer zurück und machte nur dann Halt, wenn sie müde war (oder einen guten und sicheren Unterschlupf fand, um aus dem Fluss zu kommen!). Während ihrer Expedition auf dem Sarydschas musste die Crew außerdem alle Skills auspacken, die sie zur Verfügung hatte, um sich überhaupt irgendwie über Wasser halten zu können. Enge Felsspalten wechselten sich mit offenen Passagen ab, während ihnen der Fluss selbst alle möglichen Weißwasser-Varianten entgegenwarf, die man sich vorstellen kann. Adrian erinnert sich: "Manchmal kamen riesige, vertikale Felswände links und rechts auf uns zu und der Fluss wurde enger. Dann hast du wieder die Berge rund um dich."
Adrian Mattern in einem kleinen Unterschlupf in Kirgisistan.

Manchmal brauchst du nur einen Ort zum Schlafen.

© David Sodomka

Die wahren Probleme begannen aber erst, als sie den Großteil ihrer Route bereits zurückgelegt hatten. Adrian und sein Team merkten schnell, dass der geplante Weg nach draußen nicht möglich sein würde. Der gesamte Bach, den sie in der Planung als durchaus überquerbar eingestuft hatten, stand vollkommen unter strömendem Wasser.
Die folgenden Tage verbrachten sie campend in einer abgeschiedenen Wetterstation. Sie erkundeten die Gegend und diskutieren mögliche Fluchtwege. Die Optionen, die sich ihnen boten, standen unter keinem guten Stern. Also checkten sie die nahegelegenen Berge und wanderten weiter den Fluss hinab, um herauszufinden, ob sie mit dem Kajak weiterkommen würden. Drei Tage lang war das die beste Option - aber nach wie vor keine gute. Die Stromschnellen waren durchaus machbar, aber das war nicht das Problem. Wenn sie weiter gepaddelt wären, wären sie in China gelandet, wo sie für illegales Überschreiten der Landesgrenze wohl festgenommen worden wären.
Adrian Mattern studiert mögliche Routen raus aus dem Gebirge.

Ein Moment zum Reflektieren...

© David Sodomka

Dann schaffte es aber eines der Teammitglieder, den Bach zu überqueren und ein Seil an der anderen Seite zu befestigen. Damit konnte auch das Team langsam aber sicher ans gegenüberliegende Ufer gebracht werden und den Abstieg in Richtung Zivilisation beginnen. Sie wanderten 3 Tage durch, 12 Stunden pro Tag. Mit den Booten auf den Rücken schafften sie es zurück auf die nächstgelegene Straße.
Während der Wanderung fragte sich Adrian immer wieder: "Warum mache ich das eigentlich?" Ein berechtigte Frage, wenn man gerade durch die abgeschiedene Berglandschaft von Kirgisistan läuft. Warum setzt er sich immer wieder diesen Situationen aus? Während er die Gedanken vor der Expedition reflektiert, meint er: "Bevor wir abgereist sind, war das einzige, was ich wusste...dass das wohl die härteste Herausforderung wird, die ich physisch jemals angegangen bin, wahrscheinlich auch mental."
Während die Wanderung zu Ende ging, fand Adrian eine Antwort auf seine Frage: Der Kontrast zwischen dem Aufwand und dem Erfolg half ihm dabei, das Leben wertzuschätzen und seine Ziele noch weiter zu pushen. "Es hat mir gezeigt, dass ich das in meinem Leben einfach brauche, dass ich mir meiner Motivationen, meiner Ideen und meiner Leidenschaft, die ich mit dem Sport, meinem Leben und dem, was ich gerne tue, verbinde, sicher sein muss, um mich durch diese Situation zu pushen. Dadurch weiß ich, wer ich bin und was ich mir vom Leben erwarte - diese Expedition war dafür perfekt." Du willst all das selbst erleben? Wenn du es noch nicht gemacht hast, dann schau dir den Film oben an und sei teil der Reise. Sie ist wild, so viel ist sicher!

Teil dieser Story

Adrian Mattern

Sein Motto: Ernstzunehmende Erfolge können erreicht werden, ohne ernst zu sein.

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