Aylo
© Niculai Constantinescu
Rap 💯

Aylo im Interview: „Die Motivation, die man selbst damals gebraucht hätte!“

Gerade mal ein Jahr ist Aylo jetzt im Geschäft, und doch fühlt sich ihr Debütalbum weitaus reifer an: Wir haben mit der Newcomerin über den schnellen Erfolg und ihre Inspiration gesprochen.
Autor: Vanessa Seifert
7 min readveröffentlicht am
Im März 2020, vor etwas über einem Jahr, veröffentlichte Aylo ihre erste Single „Blender“ – seitdem ist sie in aller Munde. Schon im Sommer 2020 war sie eines unserer vielversprechendsten weiblichen Rap-Talente, wenig später war sie Newcomer des Monats:
Genau ein Jahr nach „Blender“, im März 2021, veröffentlicht sie mit „4AM“ ihr Debütalbum.
Die Musikerin ist 1997 geboren und am Rand von Berlin aufgewachsen. Nun lebt sie in Berlin-Wedding und vereint in ihrer Musik Deep House, Rap und Gesang mit Straßenattitüde und Melancholie. Ihre Musikvideos sind ästhetisch und künstlerisch, während sie auf TikTok nahbar und echt zeigt, wie ihr Alltag aussieht. Wir haben uns mit ihr über ihr Album „4AM“, Erfolg und ihre Träume unterhalten.
Ein Teil der Album-Songs war schon eine Weile vor Release veröffentlicht. Waren die Songs von Anfang fürs Album geplant?
Aylo: Ich glaube, ab „Teardrops“ oder „Kein Limit“ war für uns klar, dass die Songs, die jetzt kommen, fürs Album gedacht sind. Wir haben gefühlt 300 Songs innerhalb eines Jahres gemacht. Das war am Ende viel Auswahl aus vielen langen Nächten.
Auf dem Album geht es viel um deine Gefühlswelt. War das bei den Songs, die es nicht aufs Album geschafft haben, auch so?
Ich habe mich insgesamt viel ausprobiert. Die Tracks, die am Ende am besten gepasst haben, waren die, die sich mit meinen Gefühlen beschäftigen. Das Album beschreibt die verschiedenen Beziehungsstadien: Am Anfang der Beziehung ist noch alles schön und dann fängt es an zu kriseln, bis man sich fragt, ob es das überhaupt noch wert ist.
Die Newcomerin Aylo beim Videodreh

Aylo am Video-Set

© Niculai Constantinescu

Bist du anders an die Songs rangegangen, als du wusstest, dass es ein Album wird?
Nein, überhaupt nicht. Da wir weiterhin das Single-Game gespielt haben und regelmäßig Songs veröffentlicht haben, war das für mich gar nicht anders.
Wie fühlt es sich für dich an, dein Debütalbum in den Händen zu halten?
Das ist ein unglaublich krasses Gefühl! Ich wollte auch nicht, dass die Platte nur digital erscheint, sondern dass meine Fans sagen können: „Ey, ich hab hier das erste Release von Aylo stehen.“ Vor ein paar Tagen habe ich die CD zum ersten Mal in der Hand gehabt. Das ist einfach mein Booklet mit meinen Songs und meinen Fotos. Ich hatte früher halt selbst die CDs von Rihanna, 50 Cent und so. Dazu hat man eine ganze andere Bindung.
Ganz am Anfang war es dein erklärtes Ziel, auf einem Festival zu spielen. Das passierte schon drei Monate nach der ersten Single. Jetzt kommt dein Album. Was ist dein nächstes Ziel in Bezug auf deine Musikkarriere?
Ich kann mir gerade nichts anderes vorstellen als endlich mal richtig live spielen zu dürfen. Mit Publikum, das nicht sitzen muss.
Auf „Daydream“ rappst du, dass du erst schlafen kannst, wenn es hell wird. Heißt dein Album auch deshalb „4AM“?
Seit ich „Teardrops“ aufgenommen habe und die Line „Vier Uhr morgens, ich will nicht mehr reden“ geschrieben habe, taucht die Uhrzeit immer wieder auf. Ich bin nachts aufgewacht, habe um 4 Uhr auf die Uhr geguckt oder um 4 Uhr morgens das Studio verlassen. Die Uhrzeit hat mich immer begleitet. Auch dass man erst schlafen geht, wenn es hell wird, ist der typische kreative Lifestyle.
Bist du nachts am produktivsten?
Ich bin eher nachtaktiv, vor Corona war ich gefühlt nur nachts im Studio. Aber seit Corona haben irgendwie alle das geregelte Leben. Wir treffen uns um 13 Uhr im Studio und arbeiten da da bis 20, 21 Uhr.
Im Homegirls-Podcast sagst du, dass du mit der Stimmung ins Studio kommst, mit der du aufgewacht bist oder die du davor im Traum hattest. Erinnerst du dich häufig an deine Träume?
Nicht an den ganzen Traum, sondern an die Grundstimmung. Wenn ich gut geträumt habe, wache ich mit guter Laune auf. Wenn ich gar nicht geträumt habe, habe ich meist schlechte Laune. Wenn die Träume aber sehr real sind, dann entstehen Songs daraus. Bei „Vermisst“ war das zum Beispiel so. Der Traum hat sich so real angefühlt und ich hatte den ganzen Tag das Gefühl in meinem Körper.
Schreibst du deine Songs über Situationen, in denen du dich aktuell befindest, oder über vergangene Erlebnisse?
Es geht bei mir eher um das Gefühl. Manchmal sind das auch Sachen, die man nicht selbst erlebt hat, Stories von Freunden und Bekannten. Wenn sie mir erzählen, wie ihre Beziehung läuft, inspiriert mich das auch.
Haben deine Freunde sich schon wiedererkannt?
Ein, zwei Freundinnen haben mich schon angesprochen und gefragt, ob sie mich inspiriert haben. Beispielsweise die Zeile „Hätt' mir beinah deinen Namen tätowiert” ist inspiriert von einer Freundin, die den Namen ihres Partners tätowiert hat. „Für uns zwei” ist inspiriert von meinen alten Nachbarn, die eine extrem toxische Beziehung hatten. Ich habe jeden Tag gehört, wie sie gestritten haben.
Auf „Wer trägt schwarz“ sagst du: „Wer hält denn schon sein Wort in der Szene?“ Das ist eine Aussage, die man von RapperInnen erwartet, die zehn Jahre im Business sind. Du bist es noch nicht so lange und trotzdem schon so enttäuscht?
Ich bin so vielen dreckigen Leuten in den letzten zwei, drei Jahren begegnet. Niemand hat sein Wort gehalten. Ein Producer meinte mal: „Willst du nicht chillen kommen, bevor wir aufnehmen,“ oder andere, die supporten wollten und dann nichts gemacht haben. Man merkt schon am Anfang, dass es mehr Leute gibt, die nur quatschen.
Im gleichen Song singst du: „Warum dreht sich eure Welt nur noch um Zahlen? Egal wie viel du hast, ja, was bringt es dir im Grab?“ Insgesamt definieren viele Erfolg über Streamingzahlen, Follower und Geld. Du kritisierst das in dem Song. Wie definierst du Erfolg für dich?
Es ist Erfolg, wenn man mit dem komplett zufrieden ist, was man macht. Du kannst auch erfolgreich in deinem 9-to-5-Job sein, wenn du damit zu 100% zufrieden bist und nichts anderes willst in dem Moment. Da geht es nicht ums Geld. Es kann auch Erfolg sein, wenn man eine Familie hat, in der es keine Trennung gab und sich die Brüder noch unterhalten.
Bist du in den Augen deiner Eltern erfolgreich?
Nachdem ich meine erste Single releast habe, kurz bevor ich bei Universal unterschrieben habe, hat meine Mutter noch gefragt, ob ich mir nicht einen normalen Job suchen will. Aber jetzt sieht sie, dass ich das mit Herz mache. Sie ist stolz auf mich und sieht den Erfolg.
Erwischt du dich nie dabei, dass du Streamingzahlen vergleichst?
Das war bei den ersten vier oder fünf Songs so. Aber inzwischen gucke ich da gar nicht mehr rein. Ich freue mich, wenn meine Fans in den YouTube-Kommentaren ausrasten, aber ich muss nicht unbedingt auf die Eins gehen. Bei TikTok erwische ich mich aber immer wieder: Wenn ich da zwei Stunden ein TikTok drehe und das hat 40.000 Aufrufe, bin ich schon enttäuscht. Und wenn ich dann ein einfaches TikTok hochlade, in dem ich eine Red-Bull-Dose aufmache, das hat dann 1,5 Millionen Aufrufe.
Bezugnehmend auf deinen Song „Handy aus“: Du bist viel auf Social Media unterwegs und nimmst die Leute mit in deinen Alltag. Wünscht du dir manchmal, einfach nur Musik machen zu können?
Ehrlich gesagt schon, aber es wäre auch voll langweilig. Wenn ich nur ins Studio gehen würde, einen Musikvideodreh habe und das war’s, dann wäre mir voll langweilig. Durch TikTok habe ich parallel noch viel zu tun. Aber als ich noch meine Ausbildung gemacht habe, hatte ich nicht 24/7 mein Handy in der Hand und musste nicht so erreichbar sein. Jetzt merkt man die Abhängigkeit.
Du wurdest mit Aggro Berlin sozialisiert. Dort war Kitty Kat die einzige Rapperin. Außerdem hast du gesagt, dass Eunique und SXTN dir noch mal gezeigt haben: Rappende Frauen sind normal. Wie fühlt es sich für dich an, dass Fans von dir jetzt durch deine Karriere den Mut bekommen, auch Musik zu machen?
Es ist ein echt schönes Gefühl. Ich sitze zwar nicht zu Hause und denke, ich inspiriere damit Leute. Aber es ist schön zu wissen, dass man die Motivation ist, die man selbst damals gebraucht hätte.
Lust auf mehr? Dann verpasst nicht Aylo als Teampartnerin von Rote Mütze Raphi im Red Bull Rap Duell:
Aylo in den Red Bull Music Studios Berlin

Gegen Blender: Aylo in den Red Bull Music Studios Berlin

© Fabian Brennecke