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MTB als Kunstform: Brage Vestavik als Pionier einer neuen Machart

Brage Vestavik ist jemand der gerne baut, kreiert und inspiriert, wie das epische Feature des Norwegers für die MTW Raw-Serie perfekt zeigt. Hier erfährst du, wie der MTB-Künstler tickt.
Autor: Sindre Vian
9 min readveröffentlicht am
In der Regel stellen wir uns Spitzensportler so vor, dass sie sich stets darauf konzentrieren, am Ende eines Wettkampfes ganz oben auf dem Podium zu stehen. Ein Ort, an dem sie allein sind und allen zeigen können, dass sie die Schnellsten, Stärksten und Besten sind. Aber nicht alle Sportler haben dieses Ethos.
Und einer davon ist der norwegische Mountainbiker Brage Vestavik. Vestavik ist ein ehemaliger Weltcup-Downhill-Rider, der seinen Lebensunterhalt mittlerweile abseits von Wettkämpfen als Content Creator verdient. Im Vergleich mit vielen anderen, die sich vom Wettkampf zurückgezogen haben, macht ihn das zu einer seltenen Ausnahme.
Brage Vestavik bei seinem "Sound of Speed"Shooting im Hafjell Bike Park in Norwegen 2022.

Brage Vestavik ist eine der herausragenden Figuren in der MTB-Welt

© Gisle Johnsen/Red Bull Content Pool

In der neuesten Ausgabe von MTB-Raw gibt es ein spannendes Feature über den 23-jährigen MTB-Kreativling aus Mysen in Norwegen. Das Video findest du im Player weiter oben.
Lies weiter, um herauszufinden, warum es für Vestavik beim Mountainbiken um schöpferische und kreative Freiheit und nicht mehr um den Wettkampf geht.

Es geht um Kunst

Vestavik war jahrelang ein überragender Downhill-Rider -- eine Tatsache, die ihm den Respekt und die Anerkennung der besten Teams im Mercedes-Benz UCI Mountainbike World Cup einbrachte. Als Junior fuhr er für Devinci Global Racing, bevor er für ein paar Saisons zu Mondraker in die Elite wechselte. Sein Herz schlug jedoch nie für den Wettkampf. Er wollte vielmehr das tun, was er am meisten liebte: bauen, kreieren und riden. Heute ist das Mountainbiken für ihn eher Kunstform als Sport.
"Auf jeden Fall. Es ist richtig cool, sich selbst durch das, was man tut, ausdrücken zu können. Etwas Persönliches und Eigenes zu schaffen, etwas mit Herz. Ich liebe es, Dinge zu erschaffen und zu kreieren -- das ist mein Antrieb."
Brage Vestavik bei seinem "Sound of Speed"-Shooting im Hafjell Bike Park in Norwegen 2022.

Nichts an Vestavik entspricht den Konventionen

© Gisle Johnsen/Red Bull Content Pool

Während andere Rider alles dafür geben, immer schneller als ihre Kontrahenten zu sein, hat Vestavik ganz andere Ansprüche. Mit der gleichen Intensität sucht er nach besseren Perspektiven, kreativeren Tricks und produziert Videoparts, die andere inspirieren sollen.
Sein bahnbrechender Edit für Real Mountainbike 2021 -- ein reiner Video-MTB-Contest, mit Support von den X-Games -- ging auf YouTube viral. Das Video verschaffte ihm von einem Tag auf den anderen große Bekanntheit und Anerkennung in der Freeride-Szene. In Norwegen gedreht, sendet Vestavik in dem Video unglaubliche Builds mit massiven Drops und unglaublichen Skinnies. Das krasseste Manöver ist aber ohne Zweifel sein Ender!
"Viele Leute denken, dass man in einem Bikepark sein muss, um etwas Cooles machen zu können, aber wenn man sich darauf einlässt, ist die eigene Kreativität die einzige Grenze", mein Vestavik. "Mein Content soll zeitlos sein. Die meisten Dinge werden heutzutage an einem Tag gefilmt, und so schnell sie gedreht wurden, so schnell sind sie auch wieder weg. Ich möchte aber, dass die Leute sich meine Videos auch noch in 10 Jahren ansehen können und dass die Inhalte dann immer noch cool sind. Ich will nicht, dass es nur ein weiteres Piece ist, dass sofort wieder vergessen wird."
Brage Vestavik bei seinem Red Bull Athleten-Fotoshooting in Norwegen im Jahr 2022.

Der kreative Prozess, die harte Arbeit, das Riden: Vestavik geht all-in

© Emil Sollie/Red Bull Content Pool

Immer weiter, immer weiter

Vestavik ist jeden Tag damit beschäftigt, etwas Neues zu schaffen. Wenn er nicht gerade irgendwo auf der Welt auf Reisen oder mit seinem Bike unterwegs ist, findet man ihn bei der Planung oder beim Editing. Wo immer er hingeht, hat er ein kleines Notizbuch dabei, in dem er Ideen für neue Tricks, Routen und Sprünge notiert. Inspiration findet der Norweger nämlich überall.
Beim Dreh seines MTB Raw-Edits war Vestavik ebenso wie Blur Media an der Umsetzung und Gestaltung beteiligt. Blur ist eine Produktionsfirma, die für die Produktion des Edits verantwortlich ist und mit Vestavik bereits bei anderen Videos zusammengearbeitet hat, darunter auch der X-Games Real Mountainbike-Edit.
Brage Vestavik mit einem Mitglied der Blur Media-Crew bei seinem "Sound of Speed"-Dreh im Hafjell Bike Park in Norwegen im Jahr 2022.

Wichtige Besprechung mit dem Regisseur während des MTB Raw-Edits

© Gisle Johnsen/Red Bull Content Pool

"Ich bin ein ziemlicher Nerd, was bestimmte Sachen angeht. Welche Objektive, Ausschnitte, Kamerawinkel, Farben, Kleidung und Wetterbedingungen die beste Wirkung erzielen. Bei diesen Dingen bin ich ein kleiner Perfektionist."
Bei seinen Projekten überlässt Vestavik nichts dem Zufall und so wurde auch der Drehort für den MTB Raw-Edit gezielt ausgewählt: "Wir haben uns für den Hafjell Bike Park entschieden, wo ich mit sieben Jahren zum ersten Mal gefahren bin und wo ich seitdem jedes Jahr fahre. Einige der Trails dort sind noch genauso wie damals, und sie bedeuten mir sehr viel."
Brage Vestavik bei seinem "Sound of Speed"-Shooting im Hafjell Bike Park in Norwegen im Jahr 2022.

Massiver Jump in Hafjell

© Gisle Johnsen/Red Bull Content Pool

Die Freiheit abseits von Wettkämpfen

Vestaviks bereits erwähnte Weltcup-Karriere im Downhill endete 2019 -- den Wettkampf vermisst er seitdem aber überhaupt nicht.
"Ich bin von meinem 10. bis zu meinem 19. Lebensjahr Wettbewerbe gefahren", erinnert er sich. "In Norwegen war das so üblich. Man musste an Wettkämpfen teilnehmen, aber ich wollte immer schon mein eigenes Ding machen, Strecke bauen, filmen und einfach kreativ sein. Bei Wettkämpfen war ich immer an einen bestimmten Zeitplan und festgelegte Kurse gebunden. Jetzt kann ich tun und machen, was ich will."
Das heißt aber nicht, dass Vestavik überhaupt nicht mehr an Wettbewerben teilnimmt. Neben einem urbanen DH-Race in Südamerika war er auch bei ein paar Red Bull Hardline-Events dabei. Diese Events sind allerdings keine klassischen Wettkämpfe, wo viel Druck herrscht. Vielmehr liegt der Reiz für Vestavik darin, Strecken kennenzulernen, die ihm die Möglichkeit bieten, massive und ungewöhnliche Features zu fahren.
Brage Vestavik bei Red Bull Hardline in Dinas Mawydd, Wales, am 25. Juli 2021.

Vestavik bei Red Bull Hardline 2021

© Nathan Hughes/Red Bull Content Pool

Mein Content soll zeitlos sein. Die meisten Dinge werden heutzutage an einem Tag gefilmt, und so schnell sie gedreht wurden, so schnell sind sie auch wieder weg.
Neben der Hardline gibt es aber einen weiteren Freeride-Contest, der es Vestavik angetan hat: Red Bull Rampage. 2021 war er einer der Glücklichen, die zur 20-jährigen Jubiläumsausgabe eingeladen wurden. Im Finale war er dann leider nicht dabei, nachdem er zuvor einen harten Slam einstecken musste.
"Red Bull Rampage mag ich deswegen so gern, weil es eine ganz andere Art von Wettbewerb ist. Hier geht es nicht um Zeit, sondern um Kreativität, die spektakulärste Line und coole Tricks -- ohne vorgegebene Strecke. Das ist näher an dem, was ich machen will. Ein viel künstlerischerer Zugang."
Brage Vestavik beim Graben und Vorbereiten der Strecke während der Red Bull Rampage in Virgin, Utah, USA am 6. Oktober 2021.

Vestavik arbeitet hart am Aufbau seiner Line bei der Red Bull Rampage

© Christian Pondella/Red Bull Content Pool

Brage Vestavik auf der Strecke während der Red Bull Rampage in Virgin, Utah, USA am 14. Oktober 2021.

Vestaviks gewann bei der Rampage verdient den McGazza Spirit Award

© Christian Pondella/Red Bull Content Pool

Radfahren als Sinn des Lebens

Bikes sind Teil von Vestaviks Leben, seit er denken kann. Bereits als Zweijähriger wurde der kleine Brage von seinen Eltern auf ein Fahrrad gesetzt -- seitdem hat er nie wieder zurückgeblickt.
"Ich bin schon mein ganzes Leben lang mit dem Bike unterwegs. Ich habe nicht das Gefühl, dass es den einen Moment gibt, wo alles begann, es war einfach immer schon ein Teil von mir. Das Radfahren gibt mir einen Sinn im Leben. Das Feeling, wenn ich im Sattel sitze -- man vergisst alles andere und fühlt sich einfach lebendig. Man lebt in diesem Moment und kann alles aus sich herausholen. Körper und Geist übernehmen und die gesamte Energie konzentriert sich auf das Biken."
Brage Vestavik bei den Red Bull UCI Pump Track World Championships in Harstad, Norwen, am 27. August 2022.

Für Vestavik geht es immer um Style, sogar am Pumptrack

© Dan Griffiths/Red Bull Content Pool

Auch Wikinger haben Angst

Bei seinem schweren Crash bei der Rampage 2021 zog sich Vestavik eine ausgekugelte Schulter und einen Oberarmbruch zu, aber wie es eben seine Art ist, fuhr er sofort nach der Genesung mit der gleichen Intensität weiter. Das soll aber nicht heißen, dass Vestavik keine Angst kennt: "Ich habe die ganze Zeit Angst -- auf eine gute Art. Es ist die Angst, die ich bewusst suche und finden will. Wenn ich keine Angst habe, macht es einfach nicht so viel Spaß."
Brage Vestavik im Dyfi Bike Park, Machynlleth, Wales 2022.

Brage Vestavik rockt den Dyfi Bike Park

© Dan Griffiths/Red Bull Content Pool

Verletzungen gehören zum Leben eines Mountainbikers einfach dazu und Vestavik meint, dass er durch seine Verletzungen vernünftiger geworden ist: "Ich habe mir einen Knöchel gebrochen, hatte zwei Frakturen im Rücken, mehrere gebrochene Rippen und eine ziemlich kaputte Schulter. Das sind die schwersten Verletzungen, aber ich hatte auch viele Gehirnerschütterungen, habe mir bereits alle Finger gebrochen, Probleme mit den Knien und so weiter."
"Wenn diese Dinge nicht passieren würden, hätte ich nicht denselben Respekt vor dem Biken. Es ist nicht wie ein Videospiel, bei dem man mit einem Controller in der Hand sitzt und es noch einmal versuchen kann, wenn man es verbockt. Man wird extrem scharfsinnig."
Brage Vestavik im Hafjell Bike Park während seiner "Sound Of Speed"-Produktion in Hafjell, Norwegen 2022.

Vestavik denkt viel nach

© Gisle Johnsen/Red Bull Content Pool

Das Radfahren gibt mir einen Sinn im Leben. Das Feeling, wenn ich im Sattel sitze -- man vergisst alles andere und fühlt sich einfach lebendig.
Wenn es um Stürze und Crashes geht, hat Vestavik einen sechsten Sinn: "Wenn es so weit ist, versuche ich mich richtig abzurollen und ich richte meine ganze Aufmerksamkeit auf das Fallen. Man versucht, in der kurzen Zeit, die einem in solchen Fällen zur Verfügung steht, einen Plan zu machen, aber im Grunde passiert alles automatisch. Ich bin schon so oft gestürzt, also weiß mein Körper gewissermaßen, was zu tun ist."
"Durch die Verletzungen habe ich mehr Selbstvertrauen und weniger Angst. Vor einigen meiner Verletzungen hatte ich Angst, weil ich nicht genau wusste, was nach einem so massiven Sturz passieren würde."
Brage Vestavik bei Red Bull Rampage in Virgin, Utah, USA am 14. Oktober 2021.

Dieser sketchy Drop war Teil von Vestaviks Rampage-Line 2021

© Christian Pondella/Red Bull Content Pool

Die größte Angst hat er aber davor, nicht fahren zu können: "Am meisten Angst habe ich wahrscheinlich davor, dass ich für längere Zeit von meinem Bike getrennt bin und nicht fahren kann. Sich zu verletzen ist völlig in Ordnung -- eigentlich verrückt."

Kreativität freisetzen und andere inspirieren

Vestavik zählt mittlerweile zu den größten Playern in der MTB- und Freeriding-Welt. Mit über 350.000 Followern auf Instagram und Facebook und einem YouTube-Channel mit weit über einer halben Million Views lieben wahre MTB-Fans seinen Content heiß.
Er selbst sagt aber, dass er es hauptsächlich für sich macht. Seine Videos sind Ausdruck seiner Persönlichkeit und das Ausleben seiner kreativen Ideen, die ihn einfach nicht mehr loslassen und umgesetzt werden müssen. Follower will er nicht generieren, sondern inspirieren.
"Es ist großartig, dass mir so viele Menschen folgen und ich weiß das wirklich zu schätzen! Ich mache diese Dinge aber nicht, um mehr Follower zu bekommen. Wenn die Leute gut finden, was ich mache, ist das cool, und wenn es sie inspiriert, ist das noch besser. Ich habe lieber ein kleineres Publikum, dem das, was ich tue, wirklich gefällt, als drei Millionen Menschen, die nur kurz auf meinem Channel vorbeischauen und denken 'ganz okay'".
"Mich treibt es generell an, Dinge zu erschaffen. Manchmal geht es überhaupt nicht darum, es online zu stellen -- es macht einfach Spaß, etwas zu kreieren."
Brage Vestavik im Hafjell Bike Park in Norwegen für sein "Sound of Speed"-Shooting 2022.

Das passendste Adjektiv für Vestaviks Style ist wohl "wild"

© Gisle Johnsen/Red Bull Content Pool

Brage Vestavik im Hafjell Bike Park in Norwegen für sein "Sound of Speed"-Shooting 2022.

Beim MTB Raw-Shooting präsentierte Vestavik seine DH-Skills

© Gisle Johnsen/Red Bull Content Pool

Wenn er selbst nach Inspiration sucht, richtet Vestavik seinen Blick gerne über den Tellerrand des Radsports hinaus.
"Früher habe ich viel Radrennen geschaut, jetzt interessiere ich mich mehr für Skifahren, Snowboarden, Musik oder Kunst", erklärt er. "Ich nehme viel Inspiration von außen auf. Das hilft mir, meine Fahrweise auf ein neues Niveau zu bringen. Dann noch ein bisschen Pink Floyd im Ohr, gelegentlich Rap, aber auch etwas Black Metal. Black Metal kommt oft aus Norwegen und ist von der Natur und der Geschichte meiner Heimat inspiriert. Musik ist auf jeden Fall eine meiner größten Inspirationsquellen!"
Wenn man Brage Vestavik bei der Ausübung seiner Leidenschaft zusieht oder ihm bei seinen Erzählungen zuhört, wird eines schnell klar: Der Norweger lebt und denkt das Mountainbiken anders als alle anderen. Und das ist gut so!

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Brage Vestavik

With gnarly know-how and a wide range of riding skills, Norwegian freerider Brage Vestavik looks set to take the mountain biking world by storm.

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