Detail-Shot, aufgenommen beim Red Bull Bowl Rippers in Marseille, Frankreich am 1. September 2018.
© Fred Mortagne/Red Bull Content Pool
Skateboarding

Die Geschichte des Skateboardens: Alles was du wissen musst

Für die meisten ist Skateboarden mehr als nur ein Sport - es ist ein Lifestyle. Hier erfährst du, wie Skateboarden zu dem wurde, was es heute ist.
Autor: Zane Foley / Clemens Burghofer
9 min readveröffentlicht am
Werfen wir gemeinsam einen Blick auf einige der bedeutendsten Ereignisse in der Geschichte des Skateboardens. Vom Rest der Welt abgeschottet, hat die Entwicklung ihren ganz eigenen Weg genommen und vieles ist in der Vergangenheit passiert, das nach wie vor zur Debatte steht.

Eine uralte Frage: Was ist Skateboarden?

Skater mit Skateboard.

Skateboarden - mehr als ein Sport

© Pablo Vaz/Red Bull Content Pool

Zwischen den 1950er-Jahren bis zum heutigen Tag im Jahr 2020 hat sich Skateboarden zu einer Multimilliarden-Dollar-Industrie entwickelt, die als Kunstform und als Sport Millionen von Menschen auf der ganzen Welt beeinflusst. In der Vergangenheit wurden Museen errichtet, eine eigene Hall of Fame gegründet, sowie die selbst-dokumentierte Geschichte kuratiert, die einen besonderen Platz im Herzen der Kultur hat.
Begonnen hat alles in den 1950ern in Kalifornien und über die Jahrzehnte durchlebte Skateboarden die Vor- und Nachteile wirtschaftlichen Wohlstands und der Mainstream-Popularität. Unterschiedliche Figuren und Gesichter glänzten im Rampenlicht oder wurden zu schillernden Idolen in den Pools der städtischen Hinterhöfe.
Zwischen der Jugend und älteren Skatern, die miterlebt haben, wie Skateboarden gewachsen ist und sich verändert hat, hat sich immer wieder die Frage gestellt: Was ist Skateboarden überhaupt? Mit jedem Generationswechsel vollzog sich ein revolutionärer Wandel und genau deshalb versuchen wir heute unser Bestes, diese Frage hinreichend zu beantworten und unternehmen einen Vorstoß in eine größere Welt - eine Welt, die sich durch den Ausdruck ultimativer persönlicher Freiheit und Bewegung definiert.

Am Anfang ging es bergab

Ksenia Maricheva bei einer Practice-Session Los Angeles, USA am 22. März 2020.

Skateboarding

© Denis Klero/Red Bull Content Pool

Der Ursprung des Skateboardens ist fast so umstritten wie der Ursprung unseres Universums. Es existieren zahlreiche Berichte selbsternannter Skate-Historiker darüber, wie und wann die allerersten Skateboards auftauchten. Weitgehend einig ist man sich aber darüber, dass die ersten Skateboards ihren Ursprung in den USA hatten - zunächst als Holzkisten, an die man die Rollen von Rollschuhen montierte. Bei frühen Modellen wurden sogar Lenkstangen angebracht, wie bei modernen Scootern. Später wurden die Holzkisten durch Bretter ersetzt und die Lenkstangen verschrottet und verbannt, um ein Feeling zu ermöglichen, das mehr dem Surfen ähnelte. Die Scooter-Kisten sah man bereits in den späten 1800er-Jahren, aber erst in den 1950ern wurden die Holzbretter mit Rollen auf den Downhill-Straßen Südkaliforniens populär.
Bevor 1959 die ersten kommerziellen Skateboards auf den Markt kamen, war die einzige Möglichkeit zu skaten, wenn man sich sein eigenes Brett zusammenschraubte. Diese selbstgemachten Skateboards waren der Keim für die verbreitete DIY-Mentalität, die der Skateboardszene auch heute noch anhaftet. Auf schöne und unverdorbene Weise hat sich Skateboarden also nicht aus einer Industrie heraus entwickelt, sondern aus dem intensiven Verlangen nach Selbstausdruck und Verwirklichung. Diese einfache, aber doch sehr tiefgründige Wahrheit über die Geschichte des Skateboardens ist der ultimative Ursprung zur Beantwortung der Frage: „Was ist Skateboarding und was bedeutet es, Skater zu sein?"

Die erste Welle

Alex Sorgente bei der Red Bull Skate Generation

Alex Sorgente - Dominiert den Pool

© Helge Tscharn/Red Bull Content Pool

Es ist schwierig, sich gedanklich in die 1950er- oder 1970er-Dogtown-Ära, in der der Sport geboren ist - zu versetzen. Noch schwieriger ist es aber, sich die Entwicklung seit seiner Erfindung in seiner Gesamtheit vor Augen zu führen. In den frühen 1960er-Jahren wurde Skateboarden von Firmen wie Hobie und Makaha als „Bürgersteig-Surfen" beworben und als Alternative zum Surfen vorgestellt, um den Tagen mit schwachem Wellengang zu trotzen. 1963 bildete Makaha das erste professionelle Skate-Team, das später im selben Jahr noch beim ersten Skateboard-Contest überhaupt in Hermosa, Kalifornien teilnahm. Überbleibsel der Downhill-Conteste der frühen 1960er verschwanden langsam im Nichts und auch Freestyle-Formate und Tricks, die beim Contest in Hermosa gezeigt wurden, sind für die zeitgenössische Skateboardszene mittlerweile nur noch eine entfernte Erinnerung.
Trotz seiner Neuartigkeit im amerikanischen Sport brach die Popularität des Skateboardens 1965 dann auch endgültig zusammen und die Menschen besuchten eher Roller-Derbys als Skate-Contests. In den Medien und in der Werbung wurde Skaten als gefährliche Aktivität propagiert, während Handstände auf den rollenden Holzbrettern immer mehr ihren Reiz verloren. Um zu verstehen, wie nahe Skateboarden dem Untergang war, muss man letztlich verstehen, warum frühe Formen des Sports nicht mehr gesehen werden. Noch wichtiger ist aber, dass man sich aus damaliger Sicht vor Augen führt, wo Skateboarden heute steht. Es ist eine der größten Transformationen eines Sports und einer Kunstform des 20. und 21. Jahrhunderts.

Das (Skateboard)-Rad neu erfinden

Team beim Pushen in Zentralasien.

Neue Wheels brachten eine neue Dynamik

© Gaston Francisco

Nicht im übertragenen, sondern im wörtlichen Sinne: Das Skateboard-Wheel wurde von einem gewissen Frank Nasworthy neu erfunden, der 1973 das Urethan-Rad für das Skateboard vorstellte. Die neuen Wheels ersetzten die klobigen Wheels aus Ton aus den 1950ern und 60ern und sorgte für unvergleichlichen Grip am Asphalt und auf den steilen Wänden der Pools. Mit der zeitgleichen Erfindung des Kicktails (die nach oben gebogenen Spitzen eines Skateboarddecks) wurde der professionelle Skateboardsport neu definiert. Skateboard-Magazine in den lokalen Surfshops verkauften sich wie warme Semmel und die Begeisterung für Skateboarden verbreitete sich wie ein Lauffeuer auf der ganzen Welt. Nur drei Jahre nach der Erfindung des neuen Skateboard-Wheels, wurde 1976 der erste Skatepark in Florida eröffnet. Noch vor dem Ende des Jahrzehnts entstanden Skateparks in ganz Nord- und Südamerika, und nur kurze Zeit später auch in Europa und Asien.
Der Aufstieg des Skateboardens zur Mainstream-Kultur in den 1970er-Jahren wurde 2005 im Film „Dogtown Boys" filmisch verewigt. Wie in dem legendären Film zu sehen ist, zeigte das Zephyr-Skateteam, unter der Leitung von Tony Alva, beim Ocean Festival 1975 in Del Mar, Kalifornien, das Potenzial des Skateboardens und löste eine Welle der Euphorie aus. Dieser Moment in der Geschichte des Skateboardens ist einer der Eckpfeiler und steht symbolisch für die Veränderung der Skate-Contests im Verlauf der Jahrzehnte.
In den späten 1970ern sollte der Sport aber noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden. Als dubiose Konzerne von außerhalb der Szene versuchten Skateboarden mittels undurchsichtiger Verträge und einem Überfluss an Contesten versuchten zu infiltrieren, verpuffte die Popularität und eine isolierte Gruppe von Menschen auf der Suche nach Freiheit verharrte in den leeren Hinterhofpools von Amerika. Skateparks wurden nicht mehr gebaut, weil Versicherungskosten unleistbar in die Höhe schossen und ein weiteres Mal stand die Skatekultur knapp vor dem Abgrund. Skaten wurde nicht mehr akzeptiert von Eltern und Konzernen in den USA, die schon längst auf der Suche nach dem neuesten Trend waren, und so wurde Skaten zu so etwas wie der Visitenkarte einer Anti-Establishment-Kultur und der wachsenden Punkszene der 1980er-Jahre.

Von 0 auf 900

Dogtown Boys.

Dogtown Boys

© [unknown]

Was die Skater vom Zephyr-Team in jenem Jahr in Del Mar für die Welt des Skateboardens leisteten, wurde erst wieder von einem gewissen Tony Hawk 1999 bei den X-Games mit seinem legendären 900 wiederholt. Am 27. Juni 1999 droppte Tony Hawk bei den X-Games im Sommer das 11. Mal in die Vert-Ramp, um den bekanntesten Trick der Skateboard-Geschichte zu landen. Damals konnte niemand ahnen, welche Bedeutung die zweieinhalb Umdrehungen von Tony Hawk haben werden.
Der 900 katapultierte Skateboarden in eine neue Dimension und verhalf dem Sport zu unerwarteter Popularität. Doch als Tony Hawk den professionellen Skateboardsport erneut ins Rampenlicht des Mainstreams rückte, hatte das Skateboarden bereits in den 1980ern und frühen 1990ern einen immensen Wandel durchlebt. Sowohl Skater als auch Nicht-Skater können den bedeutungsvollen Einfluss des 900 von Tony Hawk bestätigen, aber die wenigsten Menschen außerhalb des Skatekultur haben eine Ahnung davon, wie wichtig die 80er und 90er-Jahre für Skateboarden wirklich waren. In dieser Zeit liegt unter anderem der Ursprung des Streetskatens, das von Außenseitern der Gesellschaft erfunden wurde. Das Fundament für professionelles Streetskaten wurde gelegt und alles, was wir bis jetzt über Skateboarden kennengelernt haben, beanspruchte seine eigene Nische in der diversen Welt des Skateboardens.
Mithilfe eines neuen Skateboards, das zur Ausführung von Tricks in der Luft entwickelt wurde, erfand Rodney Mullen in den 1980er-Jahren viele unterschiedliche Fliptricks, nachdem Curt Lindgren 1978 den Kickflip erfunden hatte. Die ersten „reinen" Street-Skater Natas Kaupas und Mark „The Gonz" Gonzales legten die Messlatte mit den ersten Boardslides auf Handrails ein weiteres Mal höher und so verlagerte sich der Sport aus den versteckten Hinterhöfen auf die Parkplätze vor Supermärkten, die von roten Randsteinen durchzogen waren. Während die aufkeimende und sich stark verändernde Skatebewegung von den Mainstream-Medien ignoriert wurde, erhielten Skater die Möglichkeit ihre Kultur durch ihre eigene Linse zu dokumentieren. Dies ermöglichte es den Skatern, ihre persönliche Medienkultur zu produzieren und genau das zu bekämpfen, das in den späten 1960ern und frühen 1980ern für einen zwischenzeitlichen Popularitätseinbruch sorgte. Da Skater nun die Produktionsfaktoren der Skatekultur unter Kontrolle hatten, blühte zwischen 1993 und 2006 die goldene Ära des Streetskatens auf. Wir wurden in den Jahren Zeugen des Aufstiegs von Shorty's und Chad Muska, sahen Videos wie „Mouse" und „Yeah Right!" von Girl Skateboards und durften die Gründung von Teams wie FLIP Skateboards, die gefeierte LOVE Park-Ära und das legendäre Videospiel-Franchise von „THPS" miterleben - in einer Zeit wo Skateparks zum Synonym für die Planung öffentlicher Parks wurden.

Ein globales Phänomen

Turkish Skateboarding Championship.

Skateboarden auf der ganzen Welt

© Lukas Wagneter / Red Bull Content Pool

Mit der Entwicklung des Skateboardens nach der Ära von Tony Hawk (wobei diese Ära ja eigentlich nie zu Ende geht) änderte sich auch das Verhältnis und die Interaktion zwischen der Gesellschaft und Skateboarden. Die Wurzeln des Streetskatens wurden weiter vertieft, weil sich das Bild des professionellen Skaters vom Wettkampfskaten auf das Produzieren von Videoparts verlagerte. Gleichzeitig sah sich die Mainstream-Skatekultur mit neuen Formen der Unterhaltungskunst konfrontiert. Durch Das Videospiel „Tony Hawk Pro Skater" wurden sowohl „Tony Hawk„ als auch „Ollie" zu geflügelten Wörtern im täglichen Sprachgebrauch und Bam Margera parodierte daraufhin seine Profiskaterkarriere in der Reality-Show „Viva-La-Bam". Mit dem Aufstieg zahlreicher Unternehmen gewann Skateboarden immer mehr an Bekanntheit und die Elite des Sports begann beträchtliche Summen zu verdienen.
Heute ziehen Events wie Street League oder X-Games unglaubliche Zuschauerzahlen an. Mit größeren Publikumszahlen steigt aber auch die prüfende Qualität der Blicke, denn auch heute noch wird mit Skateboarden eine jugendliche Antipathie in den dominierenden Medien assoziiert. Allerdings sind auch Sprösslinge der Skateboardindustrie enorm gewachsen, was die Dinge wieder in die Hände der Skater bringen soll. In den letzten fünf bis zehn Jahren sind weibliche Skater die am schnellsten wachsende Gruppe der Sportart, mit ihrem größten Anteil in Afghanistan. Skateparks findet man mittlerweile auf allen Kontinenten der Welt, und täglich werden unzählige Clips gefilmt und auf Social Media gepostet. Skateboarden gilt heute als eine der offensten und zugänglichsten Ausdrucksformen von Freiheit.
Sie befindet sich in einem Zustand des ständigen Wandels und jeder Skater pflegt nicht nur seine ganz persönliche Beziehung zu seinem Skateboard, sondern auch seine ganz individuelle Ansicht, was Skateboarden für ihn bedeutet. Mit jedem Beitrag wird die Kultur geprägt und geformt, von denjenigen, die es am dringendsten benötigen. Manchmal bedeutet das, gegen äußere Kräfte anzukämpfen, manchmal heißt das, sie mit offenen Armen zu begrüßen. Wie dem auch sei, die Geschichte des Skateboardens wird immer noch geschrieben und letztendlich wird Skaten, dank der Skater, die vor uns waren, für immer von den Menschen definiert werden, die Skateboarden aus tiefstem Herzen lieben.