F1
Strategin Hannah Schmitz hält Verstappen und Pérez den Rücken frei
Principal Strategy Engineer Hannah Schmitz ist eine Schlüsselkraft im Erfolgslauf von Oracle Red Bull Racing. Mit ihren strategischen Finessen hat sie schon so manches Rennen entschieden.
Wenn Hannah Schmitz redet, während ihre Handflächen nach unten ausgerichtet sind, dann weißt du, dass gerade Entscheidungen getroffen werden, die das Endergebnis der Formel 1-Weltmeisterschaft maßgeblich beeinflussen werden.
Die Strategin von Oracle Red Bull Racing setzt diese Technik ein, um fokussiert zu bleiben und Analysen auf den Punkt zu bringen, ohne sich von der Spannung eines Rennens den Kopf vernebeln zu lassen.
Als Principal Strategy Engineer kalkuliert und analysiert sie mit ihrem Team Milliarden von Datenpunkten neben simulierten Szenarien, die letztlich definieren, was über ein Rennwochenende passieren wird.
Mehr über Hannah Schmitz findest du im "Beyond the Ordinary"-Podcast heraus:
Beim Großen Preis von Ungarn 2022 etwa, bei dem Max Verstappen von Platz 10 aus ins Rennen ging, waren ihre gesamten strategischen Skills gefragt! In letzter Minute traf sie die Entscheidung, mit den weichen Reifen anstatt der harten zu starten - was sich letztlich als Schlüssel für Verstappens denkwürdigen Sieg erwies. Der Niederländer selbst lobt Schmitz als "unglaublich ruhig", da es ihr unmittelbar gelingt, eine kreative Strategie abzurufen, die ihm dabei hilft, seine Rivalen auszustechen und den Vorsprung in der Fahrergesamtwertung auszubauen.
Auch beim Grand Prix in Monaco im Mai entwarfen sie und ihr Team einen Boxenstopp-Plan, der Sergio Pérez schlussendlich zum Sieg und Verstappen aufs Podium führte. Ein verrückter und proaktiver Move, der Dr. Helmut Marko anschließend zu folgenden Worten verleiten ließ: "Alle von uns haben herausragende Arbeit abgeliefert, aber der Sieg ist vor allem Hannahs Verdienst."
Sich anzupassen und permanent schnelle Entscheidungen treffen zu müssen, ist Teil von Schmitz' Job, womit sie zweifellos immer wieder unter immensem Druck steht, der aber wiederum den notwendigen Adrenalinschub mitbringt.
Schmitz trifft Schlüsselentscheidungen während eines Rennens.
© Getty Images/Red Bull Racing
Schmitz selbst meint dazu: "Für mich ist das unheimlich aufregend. Wenn du eine Entscheidung innerhalb von Sekunden triffst, sitzt du auf Nadeln. Du hast etwa 20 Sekunden, was nicht nach viel klingt. Aber wenn du da sitzt und darauf wartest, ob sich der taktische Input bezahlt macht, dann kann sich das anfühlen, wie ein halbes Leben."
In der modernen technologischen Ära der Formel 1 ist es eine Frage von Millisekunden, die ein Endergebnis letztlich bestimmen. Jede einzelne strategische Wahl, die du triffst, entscheidet am Ende über Sieg oder Niederlage.
Wann und wie oft sollte der Fahrer an die Box gehen? Welche Reifen sollte er verwenden? In welchen Phasen soll er auf Attacke gehen und in welchen sollte er das Tempo halten? Und in welchen Szenarien sollte er seinen Teamkollegen unterstützen? Auf all diese Fragen geben die Daten eine Antwort - man muss sie nur lesen und die richtigen Schlüssel ableiten können und das innerhalb eines unfassbar kurzen Zeitfensters!
Wenn du eine Entscheidung innerhalb von Sekunden triffst, sitzt du auf Nadeln.
Und trotzdem: Auch die konkreteste Datenmenge kann dich niemals zur Gänze auf ein Rennen voller gelber und roter Flaggen, Crashes, Penaltys und unzuverlässiger Wetterprognosen vorbereiten.
Hannah Schmitz muss zu jeder Zeit den maximalen Fokus abrufen können. Sie selbst macht das noch einmal deutlich: "Ich glaube, die Fähigkeit, in schwierigen Situationen ruhig zu bleiben, gehört zu den wichtigsten Attributen eines Strategen."
"Ein Tipp, den mir jemand einmal mitgegeben hat, besteht darin, deine Hände so zu drehen, dass deine Handinnenflächen nach unten zeigen. Das hilft dir dabei, klarer zu denken und die gezogenen Schlüsse nachdrücklicher zu kommunizieren."
Schmitz setzt auf einen Trick, um ruhig und beherzt zu bleiben.
© Getty Images/Red Bull Content Pool
Am Morgen eines üblichen Renntages nimmt Schmitz an Meetings teil, die ganz bewusst darauf ausgerichtet sind, den Rennplan mit den Piloten, den Race Engineers, Adrian Newey und Christian Horner zu diskutieren.
Dann kommt es darauf an, ob sie an der Pit Wall Platz nimmt oder im unvergleichlichen Operations Room in Milton Keynes - hierbei wechselt sie sich von Rennen zu Rennen mit dem Head of Race Strategy Will Courtenay ab.
Die Mission ist die gleiche, ganz egal, wo die beiden auch positioniert sind, doch unterscheiden sich die jeweiligen Rollen. An der Pit Wall geht es vor allem darum, klaren Kopf zu behalten und das Gesamtbild zu betrachten, um den besten Weg zu finden, ein Rennen zu gewinnen.
Als Strategin musst du unzähligen Leuten sagen, was sie zu tun haben - und sie müssen dir zuhören.
Im Operations Room behandelt ein Team aus Strategen die gesamten Live-Kalkulationen und Simulationen, um den Kollegen an der Pit Wall brauchbare Daten zu liefern, die dort neben den Race Engineers die optimalen Entscheidungen treffen.
Schmitz verdeutlicht, dass der Raum im NASA-Stil sich als wahrer Game-Changer bewiesen hat: "Wir hören jeden Funkspruch des Teams, wir sehen jedes On-Board-Videomaterial, wir können uns alle Zahlen im Detail ansehen und zentrale Informationen innerhalb von Sekunden an die Pit Wall weiterleiten. Es ist, als würde man im selben Raum zusammenarbeiten - ohne Verzögerungen!"
Ein Blick in den Operations Room von Red Bull Racing.
© Red Bull
Schmitz' Karriereweg an die Pit Wall charakterisiert sich vor allem durch Leidenschaft, mit der sie sich letztlich ihren Traum-Job erarbeitet hat.
Schon als Kleinkind war sie an Autos und daran, wie ein solches funktioniert, interessiert, was sich bereits in ihrer Schulzeit zu einer Passion für Engineering entwickelte. Ein Master's Degree in Mechanical Engineering an der Cambridge University war die logische Folge, bevor sie 2009 als Praktikantin bei Red Bull Racing einstieg.
Doch es brauchte Zeit, bis sie das notwendige Selbstvertrauen aufbauen konnte. Sie hofft darauf, dass sich das für Frauen, die zukünftig einen ähnlichen Weg bestreiten, ändert.
"Ich denke, dass es viele Menschen gibt, die nicht unmittelbar daran glauben, dass du dazu in der Lage bist, deinen Job zu machen", erklärt sie. "Als Strategin musst du unzähligen Leuten sagen, was sie zu tun haben - und sie müssen dir zuhören, also kommt es darauf an, Vertrauen aufzubauen, und ich denke, dass das als Frau sehr viel schwieriger ist. Mittlerweile habe ich mir diesen Respekt aber erarbeitet und ich hoffe, dass junge Mädchen, die in den Sport einsteigen wollen, erkennen, dass sie es schaffen können. Ich hoffe darauf, dass wir in Zukunft mehr Diversität zu sehen bekommen."
Spätestens seit dem Großen Preis von Brasilien im Jahr 2019 ist sie ein bekanntes Gesicht unter den Formel 1-Fans. Sie war diejenige, die Verstappen zum dritten Boxenstopp aufforderte, obwohl sie wusste, dass er die Rennführung kurzzeitig abgeben muss - ein Move, der letztlich zum Rennsieg des Niederländers führte. Die logische Folge: Schmitz wurde gemeinsam mit Verstappen am Podium gefeiert und sie durfte sich die Konstrukteurs-Trophäe abholen.
"Es war ein atemberaubender Moment und der Höhepunkt meiner Karriere", erinnert sie sich. "Ich war tatsächlich gerade erst zurückgekommen, nachdem ich mein erstes Kind auf die Welt gebracht hatte, also war das für mich eine große Sache - zu beweisen, dass ich noch immer da bin und meinen Job gut machen kann. Es war einfach nur eine unglaubliche Erfahrung."
Schmitz holt sich die verdiente Trophäe in Brasilien ab.
© Charles Coates/Getty Images/Red Bull Content Pool
Seit 13 Jahren ist Schmitz fester Bestandteil von Red Bull Racing, womit sie mit dem Großteil der Piloten der RB-Teamgeschichte bereits zusammenarbeitete. Momentan sind das Pérez und Verstappen, die beide die präsentierten Strategiepläne verstehen und ohne Kompromisse mittragen - und das trägt Früchte!
Red Bull Racing kämpft in einer bisher herausragenden Saison an jedem Rennwochenende um den Sieg mit und genau darin besteht das Ziel: Rennen zu gewinnen und den Vorsprung in der Fahrer- wie der Konstrukteurswertung weiter auszubauen.
Schmitz und ihre Kollegen haben bereits damit begonnen, die Strategien für die kommenden Strecken vorzubereiten und auszuarbeiten. Aber auch hier gilt: Nichts ist sicher, kann doch im Laufe eines Rennwochenendes so vieles passieren!
Nur eines hat Bestand: Mit den kalkulierten Entscheidungen von Hannah Schmitz und ihrem Team hat Oracle Red Bull Racing alle Informationen bei der Hand, die es braucht, um Rennen zu gewinnen.