Kalle Rovanperä vom Team Toyota feiert seinen Weltmeistertitel auf dem Podium bei der WRC 2022 in Auckland, Neuseeland.
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Phänomen Kalle Rovanperä: Wie man langfristig ein WRC-Weltmeister bleibt

Mit nur 22 Jahren ist Kalle Rovanperä der jüngste WRC-Weltmeister aller Zeiten. Aber was braucht es dazu, an der Spitze zu bleiben? Mehrmalige Weltmeister aus anderen Disziplinen geben Antwort.
Autor: David Rawlings
9 min readveröffentlicht am
Am Sonntag, dem 2. Oktober, schrieb sich der finnische Motorsport-Pilot Kalle Rovanperä in Auckland (Neuseeland) in die Geschichtsbücher ein, als er sich am Tag nach seinem 22. Geburtstag zum WRC-Weltmeister 2022 krönte.
Er ist nun der jüngste Titelträger in der WRC, den es jemals gegeben hat. Zuvor war dieser Rekord 1995 von Colin McRae aufgestellt worden, der sich den Titel im Alter von nur 27 Jahren gekrallt hatte. Damit ist ein Rekord gebrochen, der lange Zeit Bestand hatte.
Dennoch: Jung zu sein und Weltmeister zu werden ist nichts Neues. Um einen Eindruck darüber zu bekommen, was Rovanperä schon jetzt erreicht hat und was ihn nun erwartet, haben wir mit jungen Titelträgern aus den verschiedensten Sportarten gesprochen: MotoGP™-Champion Marc Márquez, Armand "Mondo" Duplantis (der in der Welt des Stabhochsprungs für Aufsehen sorgt), mit dem regierenden F1-Weltmeister Max Verstappen (der schon, seitdem er 17 ist, Rekorde bricht), dem SailGP-Teilnehmer und zweimaligen Gewinner des America's Cup Jimmy Spithill, sowie mit Rovanperäs Teamchef Jari-Matti Latvala.
Rovanperä begann sein WRC-Abenteuer während der letzten beiden Runden in der Saison 2017, kurz nach seinem 17. Geburtstag, und war schon damals in der Lage, bei seiner erst zweiten Rallye auf Platz 10 zu fahren. In der WRC 2 Pro hatte er sich schon zuvor einen Namen gemacht, bevor er in die Premium-Klasse wechselte. Im Folgejahr fuhr er seine erste vollständige Saison für ŠKODA Motorsport, einem Team, dem er zwei Jahre lang die Treue gehalten hatte, bevor 2020 der Wechsel zu Toyota Gazoo Racing WRT kam. Dort sorgte er unmittelbar für Aufsehen, nachdem er bei seinem zweiten Rennen für das Team auf dem Podium gelandet war. Aufgrund der Pandemie fand diese Saison nur verkürzt statt, doch 2021 kam dann jene Saison sein, in der Rovanperä Geschichte schrieb...
Kalle Rovanperä und Co-Pilot Jonne Halttunen in ihrem Toyota auf dem Weg zum Titel der WRC 2022 in Auckland, Neuseeland.

Kalle und Co-Pilot Jonne Halttunen auf dem Weg zum Titel.

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Wie man Rekorde bricht

Den ersten Rekord, den Rovanperä brach, war jener für den jüngsten WRC-Fahrer, der eine Etappe für sich entscheiden konnte. Das Ganze passierte in der siebten Runde der Saison 2021 in Estland, wo er und sein Co-Pilot Jonne Halttunen gewinnen konnten -- 59,9 Sekunden vor den Zweitplatzieren.
Dieser Sieg verdrängte den bisherigen Rekordhalter Jari-Matti Latvala aus den Geschichtsbüchern. Ironischerweise ist Latvala nun Rovanperäs Teamchef bei Toyota Gazoo Racing. Er zeigte sich -- und wie sollte es auch anders sein -- glücklich darüber, dass gerade sein Fahrer seinen Rekord gebrochen hat: "Ich weiß, dass Rekorde dazu gemacht sind, gebrochen zu werden und ich wusste auch, dass es irgendwann passieren wird. Dass es gerade Kalle sein sollte, macht mich glücklich. Er hat die finnische Tradition weitergeführt. Vor mir war Henri Toivonen der jüngste Etappen-Sieger, dann kam ich und jetzt hat Kalle das Zepter übernommen."
Dass es gerade Kalle war, der meinen Rekord brechen sollte, machte mich glücklich.
Jari-Matti Latvala
Rovanperä beendete diese Saison mit einem weiteren Sieg und einer weiteren Podiumsplatzierung. In der Gesamtwertung sicherte er sich Platz vier und nun kam der Moment, wo der junge Pilot mit großen Erwartungen konfrontiert war -- die er unmittelbar erfüllen konnte. In der diesjährigen Saison gewann er drei der ersten vier Rennen; insgesamt war er in sechs der elf Runden, die bisher ausgetragen wurden, siegreich. Er brachte in diesem Jahr eine derartige Dominanz auf die Strecke, dass ihm der Weltmeistertitel schon zwei Runden vor Schluss nicht mehr zu nehmen ist.
Im Alter von nur 22 Jahren und einem Tag hat er also seine erste Weltmeistertrophäe im Kasten, doch für Rovanperä wird es noch härter werden, wenn er diesen Weg weiter gehen will. "Der zweite Weltmeistertitel ist sehr viel schwerer zu holen", erklärt Latvala. "Du richtest deine gesamte Karriere darauf aus, dieses Ziel zu erreichen, und wenn dir das gelungen ist, fällt es schwer, die Motivation für weitere Siege aufrechtzuerhalten. Man würde annehmen, dass es, wenn du das einmal geschafft hast, beim zweiten Mal einfacher sein würde, doch ist das tatsächlich nicht der Fall."
Kalle Rovanperä und Jonne Halttunen von Team Toyota feiern auf dem Podium der WRC 2022 in Auckland, Neuseeland ihren Titel.

Wer ist die Nummer 1?

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Die Stärke der Jugend

Rovanperä wird trotz seiner Jugend auch 2023 der Mann sein, den es zu schlagen gilt. Das ist eine Rolle, mit der ein weiterer junger Athlet bereits Erfahrungen gesammelt hat. So viel sei gesagt: Es wird für Rovanperä noch viel zu tun geben.
Armand "Mondo" Duplantis ist ein 22-jähriger Athlet, der die Welt des Stabhochsprungs in seinen jungen Jahren in Staunen versetzt. Mit nur 16 Jahren begann er damit, Goldmedaillen in den verschiedensten Wettbewerben zu sammeln; seine erste sicherte er sich bei den World Youth Championships. Ein Jahr später brach er den Rekord in seiner Altersklasse, 2020 folgte der Weltrekord mit einer Höhe von 6,17 Metern. Seitdem gelang es ihm, seinen eigenen Rekord ganze fünfmal zu brechen -- mittlerweile liegt dieser bei 6,21 Metern. Daneben ist er Olympia-Sieger und Weltmeister -- sowohl indoor als auch outdoor.
Armand Duplantis aus Schweden performt während der World Athletics Indoor Championships in Belgrad, Serbien 2022.

Mondo Duplantis hat seinen eigenen Rekord fünfmal gebrochen.

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Mondo weiß, dass die Arbeit niemals endet, wenn Rovanperä Ergebnisse dieser Art weiterhin einfahren möchte. Wie Latvala ist auch er überzeugt davon, dass es noch härter werden wird: "Ich ging mit viel Selbstvertrauen in meine erste Weltmeisterschaft. Ich war davon überzeugt, dass ich eine gute Chance habe, und sobald du den Rhythmus findest und hineingezogen wirst, gehst du mit der Mentalität in jedem Wettkampf, deine Performance noch weiter zu pushen. In jeder Saison möchte ich noch mehr aus mir herausholen."
Der Australier und zweimalige America's Cup-Sieger Jimmy Spithill erzählt, dass er, sobald er vom Erfolg gekostet hatte, es nicht abwarten konnte, erneut zuzuschlagen: "Das Siegen wurde zur Sucht; vor allem, weil du in einem großen Team arbeitest, du gemeinsam Probleme löst und als Gruppe Herausforderungen gegenübertrittst. All das ist nicht einfach, aber wenn du das Ziel dann erreichst, dann ist das ein umso besseres Gefühl. Danach wollte ich mehr; diese Emotion holte mich permanent aus meiner Komfortzone und hat mir dabei geholfen, zu wachsen -- als Athlet und als Privatperson."
Jimmy Spithill, CEO und Pilot des SailGP-Teams aus Amerika, spricht nach dem ersten Renntag des Greamt Britain Sail Grand Prix' zu den Medien.

Jimmy Spithill, zweimaliger America's Cup Sieger.

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Marc Márquez ist achtmaliger MotoGP™-Weltmeister und der vierterfolgreichste Rider aller Zeiten. Auch er ist der Ansicht, dass die erste Weltmeisterschaft die einfachste ist, da der Druck nicht ganz so hoch ist. Márquez holte sich zum ersten Mal 2010 den Titel in der 125cc-Klasse. Danach stieg er in die Moto2 auf, um dort zwei Saisonen zu bestreiten, bevor er 2013 in der Premium-Klasse für das Team Repsol Honda fuhr. "Diese erste MotoGP™-Weltmeisterschaft zu gewinnen, fühlte sich großartig an", erinnert er sich. "Ich trat gegen mein Idol an, Valentino Rossi, und mein erstes Rennen beendete ich direkt hinter ihm. Das zweite Rennen konnte ich dann gewinnen; mein Teamkollege Dani [Pedrosa] wurde Zweiter. Es war eine unglaubliche Saison; die beste meiner Karriere. Wäre ich gecrasht, hätte ich mir selbst gesagt, dass das gerade meine erste Saison ist und ein Top-5-Finish wäre aus diesem Grund auch okay gewesen. Du hast in deiner Debüt-Saison nichts zu verlieren und keinen Druck -- das hat mir wirklich geholfen."
Marc Márquez auf der MotoGP™-Strecke in Thailand, im Oktober 2022.

Marc Márquez weiß, was es braucht, um Champion zu werden.

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Oracle Red Bull Racing-Pilot Max Verstappen gelang es im Laufe seiner bisherigen Karriere ebenfalls einige Rekorde zu brechen. Er ist der jüngste F1-Fahrer, der ein Rennen gewinnen konnte, und mit nur 25 Jahren der regierende Formel 1-Weltmeister. Auch in der laufenden Saison sieht es ganz danach aus, als könnte er seinen Titel verteidigen. Er selbst sagt, er habe sich nie Ziele oder Träume gesetzt: "Ich habe einfach immer weiter gepusht, nur um zu sehen, wie weit ich kommen kann."
Max Verstappen und Red Bull Racing feiern den ersten F1-Sieg von Verstappen.

Max Verstappens erster Sieg mit nur 17 Jahren.

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Die Weltmeister geben Ratschläge

Rovanperä hat mit diesen Champions zumindest eine Sache gemeinsam, doch all diesen Athleten ist es gelungen, den Titel in der jeweiligen Serie mehrmals zu holen. Also welche Ratschläge können sie dem jungen WRC-Weltmeister mitgeben?
Es scheint, als könnte man -- sofern du nicht zur Eintagsfliege werden willst -- das Ganze auf drei Punkte herunterbrechen...

1. Genieße den Moment

Wenig überraschend gehört die Krönung zum Weltmeister zu den lebenslangen Zielen eines Athleten jeder Disziplin, also solltest du diesen Moment auch wertschätzen und genießen! "Sobald du den Titel in der Tasche hast, bist du im Rausch", erklärt Márquez. "Du bist in einem wahren Höhenflug und genau so sollte es sein. Aber dann musst du dich zurück auf den Boden holen. Ich hatte in diesem Sinne mit meinem Vater, mit meiner Mutter und all den Menschen rund um mich viel Glück. Sie sind insgesamt sehr bodenständig und für einen Athleten ist ein solches soziales Umfeld Gold wert."
Mondo Duplantis stimmt Márquez in diesem Punkt zu: "Genieße deine Erfolge, vergiss dabei aber nicht, nach vorne zu schauen und die Grenzen des Möglichen zu pushen."
Genieße deine Erfolge, vergiss dabei aber nicht, nach vorne zu schauen und die Grenzen des Möglichen zu pushen.

2. Umgib dich mit guten Leuten

Wie Márquez oben bereits erwähnt, ist ein soziales Umfeld mit guten Leuten essenziell. Es kommt viel zu oft vor, dass ein junger Superstar aufgrund von schlechten Ratschlägen schnell wieder von der Bildfläche verschwindet.
"Kalle ist ein guter Typ und geht sehr smart an seinen Sport heran", erzählt Teamchef Jari-Matti Latvala. "Er braucht nicht wirklich jemanden. Er bringt genau das richtige Naturell mit, um Rallye-Fahrer zu sein."
Rovanperä selbst sieht das genauso. Zwar hat er niemand Spezielles, doch ist er dennoch abhängig von Anderen: "Meine Freunde sind der Schlüssel, wenn ich mit Problemen und meinen Gedanken konfrontiert bin. Ich gehe immer sicher, dass ich Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden verbringen kann."
"Ich habe zwei Familien, dich mich unterstützen", ergänzt Márquez. "Meine Mutter, meinen Vater und meinen Bruder sowie mein Renn-Team. Mein Bruder [Alex, der ebenfalls in der MotoGP™ Rennen bestreitet] ist wirklich wichtig, weil wir immer gemeinsam trainieren und uns gegenseitig beeinflussen. Dann gibt es da noch meinen Manager und meinen Trainer. Es müssen in diesem Metier nicht immer die Besten der Besten sein -- du musst mit ihnen nur gut zusammenarbeiten können. Wenn du dich gut fühlst und eine gute Atmosphäre im Team hast, dann kannst du wachsen und eine Menge lernen."

3. Trainiere, trainiere, trainiere...

Ein Konsens lässt sich insgesamt aber herauslesen: Sobald du triumphierst, musst du anschließend doppelt so hart arbeiten, um erneut zu gewinnen. Nach einem Titelgewinn bist du in einer Phase, in der jeder Konkurrent penibel analysiert, was du anders machst; du hast also quasi eine imaginäre Zielscheibe auf deinem Rücken kleben.
"Sobald du deinen Erfolg genossen hast, solltest du zurückkommen und so hart trainieren wie zuvor...", erklärt Márquez. "...und noch viel mehr...weil jetzt jeder besser als du sein möchte!"
Jimmy Spithill sieht das ähnlich. Es gibt keine Abkürzung, mit der du der harten Arbeit entkommst: "Vergiss die Selbstzufriedenheit! Auch wenn du dir ein gewisses Maß an Selbstvertrauen und Momentum erlauben darfst, musst du dir eines kompromisslos bewusst machen: Dieses letzte Rennen, das du gewonnen hast, hat keine Bedeutung mehr. Im Mittelpunkt steht das NÄCHSTE RENNEN!"
Max Verstappen hingegen ist davon überzeugt, dass Rovanperä weiß, was er tut, und keine Ratschläge benötigt: "Er ist ein Weltmeister und das in diesem jungen Alter in einem herausfordernden Sport. Das ist unglaublich. Er kann in den kommenden Jahren nur besser werden und ich freue mich darauf zu sehen, was er noch erreichen wird."
Kalle Rovanperä (FIN) und Jonne Halttunen (FIN) vom Team Toyota Gazoo Racing feiern ihren Titel beim WRC-Rennen in Auckland, Neuseeland, 2022.

Kalle und Jonne fühlen sich wie die Könige der Welt.

© Jaanus Ree/Red Bull Content Pool

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Kalle Rovanperä

Kalle Rovanperä is the record-breaking, youngest-ever WRC world champion who's following in the tracks of his legendary Finnish compatriots.

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