Lange Grundlagen-Einheiten spult Toni Palzer draußen auf dem Rennrad ab.
© Helge Roeske / Red Bull Content Pool
Radsport

Für Radprofi Anton Palzer gibt es nur eine Devise: Ohne Fleiß kein Preis

Anlässlich der Premiere von "Anton Palzer: Breaking the Cycle" - eine Doku über seinen Switch vom Skibergsteigen zum Profi-Radsport - erklärt der Deutsche, was nötig ist, um erfolgreich zu sein.
Autor: Manuela Maier
6 min readaktualisiert am
Der Profi-Radsport ist ein knallhartes Pflaster, buchstäblich! Die Berufsbeschreibung könnte in etwa so lauten: Man muss in der Lage sein, wochenlang Spitzenleistungen zu erbringen, zermürbende Fahrten durch Regen, Hagel und glühende Hitze auf sich zu nehmen -- manchmal alles an ein und demselben Tag -- und dabei schmerzhafte Abschürfungen, brennende Muskeln und unzählige weitere qualvolle Begleiterscheinungen zu ertragen.
Die meisten Radprofis schaffen den Sprung nach ganz oben erst nach jahrelanger Ausbildung in brutalen Juniorenteams -- nicht so Anton Palzer, der eine weit unkonventionellere Route nahm und sich seinen eigenen Weg in den Profi-Radsport bahnte.
Anfang 2021 beendete der deutsche Athlet seine erfolgreiche Karriere als professioneller Skitourengeher und Weltrekordhalter im Trailrunning für einen hart erarbeiteten Platz im deutschen World Tour Team BORA - hansgrohe. Als Vizeweltmeister im Skibergsteigen und Rekordhalter für die Watzmann-Überschreitung in weniger als drei Stunden stieß er zum Team.
In der brandneuen Dokumentation "Anton Palzer: Breaking the Cycle" -- die du im Player unten findest -- erleben wir den Extremsportler vom ersten Treffen mit BORA - hansgrohe als Neuling im Straßenradsport bis zu seinem Debüt bei der legendären dreiwöchigen Grand Tour Vuelta a España.

46 Min

Anton Palzer: Breaking the Cycle

Anton Palzer versucht den Umstieg vom Bergsteigen zum Straßenrennsport.

Englisch

Die unfassbare Herausforderung, erfolgreicher Radprofi zu werden, ist alles andere als einfach und hat -- wie jede gute Geschichte -- ihre Höhen und Tiefen. Zu Beginn des Jahres haben wir uns mit dem Mann der Stunde getroffen, als er gerade auf Grand Canaria trainierte.
Mein Motto ist immer: Man kann alles schaffen, wenn hart man genug dafür arbeitet.

Eine Grand Tour beenden

Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Palzers erste Erfahrungen in der Welt des Profi-Radsports eine Ansammlung echter Bewährungsproben waren. Aber die Resultate sind vielversprechend, und der 29-Jährige hat seine Entscheidung nicht bereut. Sein Debüt feierte Palzer bei der Tour of the Alps 2021 und im selben Jahr beendete er gleich drei große Rundfahrten -- die berüchtigte Vuelta sogar nach nur fünf Monaten Training.
"Bei der Vuelta wurde ich komplett ins kalte Wasser geworfen", sagt er mit einem breiten Grinsen im Gesicht. "Ich glaube, das Team wollte sehen, ob ich wirklich bereit für diese Reise bin. Beim Skitourengehen gib es auch Rennen, die bis zu vier Tage dauern, aber bei einer Grand Tour fährt man 21 Tage am Stück. 21 Tage sind eine unglaublich lange Zeit! Du fährst 100 Stunden, 3.800 km in drei Wochen. Manche Menschen verbringen in ihrem gesamten Leben nicht so viel Zeit am Rad."
Aber er hat's durchgezogen! Palzer beendete tatsächlich seine erste Vuelta, kam aber nicht ganz unbeschadet davon. "Körperlich und mental war ich am Limit. Ich war so fertig danach!"
"Wenn ich beim Skitourengehen Verletzungen hatte, habe ich einfach eine Pause eingelegt. Bei einem Radrennen, das so lange dauert, gibt es keine Pause, man muss weitermachen, auch wenn man keine Haut mehr an den Oberschenkeln und am Hintern hat."
Radprofi Toni Palzer nippt an seiner Trinkflasche.

Obwohl Toni Palzer auf dem Rad nicht immer schwitzt, muss er viel trinken.

© BettiniPhoto ©2021

Aber wie kam Palzer überhaupt auf die Idee, die Sportart zu wechseln? Warum will man ein dreiwöchiges Rennen absolvieren, wenn es keine realistische Chance auf den Sieg gibt und man bereits höchst erfolgreicher Profi in einer anderen Disziplin ist?

Was motiviert Toni?

"Ich habe gemerkt, dass sich das Skitourengehen für mich immer mehr wie ein Job angefühlt hat, und das eigentlich schon seit 8 Jahren. Ich glaube, dass es vor allem Leidenschaft braucht, um im Profisport langfristig wirklich erfolgreich zu sein."
"Beim Skibergsteigen habe ich an Rennen teilgenommen, um sie zu gewinnen oder um zumindest gute Platzierungen zu erreichen. Das hat sich völlig geändert. Ich bin jetzt 'Helfer' für die wirklich guten und erfolgreichen Fahrer im Team. Bei der Algarve-Rundfahrt lag ich nach fünf Tagen auf Platz 24. Ich habe immer um den Sieg gekämpft, das ist jetzt anders. Jetzt muss ich einfach Vertrauen in den Prozess haben und daran glauben, dass ich es schaffen kann und, dass eines Tages andere Fahrer meine 'Helfer' sein werden."
"Mein Motto ist immer: Man kann alles schaffen, wenn hart man genug dafür arbeitet."
Toni Palzer wird für seine starke Leistung von seinen Teamkollegen umarmt.

Bei der Sibiu Tour bestritt Toni Palzer seine dritte große Rundfahrt.

© Mario Stiehl

Mit dieser Mentalität hat er in der Welt des Skibergsteigens und des Trailrunnings große Triumphe gefeiert. Aber wie überträgt er diese Mentalität auf wochenlange Radrennen? Rennen, die -- was Umfang und Intensität betrifft -- auf einem völlig neuen Niveau sind.

Durchhaltevermögen

"Das Schlimmste, was du tun kannst, ist zu denken, dass es irgendwann leichter oder entspannter wird, denn dann eskaliert man und man wird den schlimmsten Tag seines Lebens haben. Es ist enorm wichtig, dass man sich mental darauf einstellt, dass jeder Tag extrem hart sein wird, und du musst in der Lage sein, Schmerzen zu ertragen."
Er lächelt. "Ich weiß, es klingt ein bisschen pervers, aber bis zu einem gewissen Grad muss man den Schmerz genießen können. Körperlich sind alle Radprofis gleich stark. Was den Unterschied ausmacht, sind Schmerztoleranz und Ausdauer."
Erst jetzt, als Radprofi, wird mir bewusst, wie viel mein Körper aushalten und leisten kann.
Toni Palzer auf einer Etappe bei der Volta ao Algarve in Portugal.

Auf der zweiten Etappe der Volta ao Algarve ging Toni Palzer ans Limit!

© SprintCyclingAgency©2022

Ist das also das Geheimnis des Erfolgs? Geht es wirklich nur darum, wie viel Schmerz man ertragen kann?

Was macht einen Profi aus?

"Der Schmerz ist eine Art Belohnung. Wir freuen uns alle auf die Rennen. Wir lieben es, Rennen zu fahren -- dafür trainieren wir so hart. Wir geben uns viel Mühe, um unsere Leistungen auf ein absolutes Höchstmaß zu treiben. Man arbeitet hart, man bringt Opfer, um am Renntag alles geben zu können, und dann kommt das Glücksgefühl."
Vielleicht liegt der Schlüssel zum Erfolg im Profi-Radsport nicht nur darin, wie viel Schmerz man ertragen kann, sondern in der Fähigkeit, den Schmerz zu channeln und in etwas umzuwandeln, das ein echtes Gefühl der Befriedigung hervorruft.
"Der menschliche Körper ist unglaublich widerstandsfähig. Erst jetzt, als Radprofi, wird mir bewusst, wie viel mein Körper aushalten und leisten kann. Du fährst drei Rennen in einer Woche, und am Sonntag bist du mit deinem Leben völlig fertig. Du denkst, du hast dein Limit erreicht, und dann machst du noch eine dreiwöchige Grand Tour. Und genau deshalb machen wir das: wegen des Gefühls, das man bekommt, wenn man an seine Grenzen geht."
Das Leben als Profisportler ist wie eine Achterbahnfahrt.
Toni Palzer vom BORA-hansgrohe fährt an der Spitze der Gruppe.

Im Wind das Tempo hochhalten: Toni Palzer

© SprintCyclingAgency

Palzer begann die Straßenradsaison 2022 mit einem 25. Platz in der Gesamtwertung bei der Algarve-Rundfahrt im Februar und ging in den zwei Folgemonaten bei der Katalonien-Rundfahrt und bei der Tour of the Alps an den Start. Bei der Tour de Romandie belegte er den 51. Platz und fuhr im Juni die Tour de Suisse, gefolgt von der Ethias-Tour de Wallonie und der Sazka Tour in Tschechien.
"Es gibt noch viel zu lernen und das braucht Zeit. 2021 war extrem hart für mich, also habe ich mir Zeit genommen, es zu verarbeiten und zu reflektieren. 2022 habe ich große Fortschritte gemacht. Das Leben als Profisportler ist wie eine Achterbahnfahrt: Es geht auf und ab. Ich bin nicht jemand, der sich auf seinen Lorbeeren ausruht -- ich will immer weiter und erfolgreicher sein. Ich habe es früher geliebt, Siege zu feiern -- dorthin möchte ich jetzt auch im Radsport."
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Anton Palzer

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