Der Rabe als treuer Begleiter im Hintergrund.
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Event & Festival

Der steile Weg eines "Winners": Die Erfolgsstory von RAF Camora

Mit viel Talent, Ehrgeiz und Mut avancierte RAF Camora zu einer der wichtigsten Figuren im Deutschrap. Eine außerordentliche Erfolgsstory, die ihren Anfang im 15. Wiener Gemeindebezirk nahm.
Von: Thomas Kiebl
8 min readPublished on
Am 5. Oktober 2018 ist das Album von RAF Camora und Bonez MC erschienen – PALMEN AUS PLASTIK 2 ist (wie erwartet) auf allen möglichen Plattformen auf Platz 1 eingestiegen und fast überall in den Trending Topics. Wir haben die Geschichte der Wiener Rap-Legende schon einmal erzählt - und zwar beim RAF Camora Homecoming in der Marx Halle.
Lest einfach weiter und seht euch das Video unten an, um die ganze Erfolgsstory noch einmal zu erleben.
Abertausende Hände schwenken unermüdlich zu den Melodien, die Raphael Ragucci alias RAF Camora und Band auf die Bühne zaubern und damit die Marx-Halle zum Beben bringen. Jede einzelne Zeile wird vom Publikum lautstark mitgesungen, wie in einem nie enden wollenden Energieanfall gefangen begleiten tausende Menschen die Songs mit kraftraubenden tänzerischen Bewegungen.

Erlebe die Highlights des Tages hier im Video:

3 Min

Er ist ein Westwiener! RAF Camoras emotionaler Wien-Trip

Märtstraße, Dadlerpark, St. Marx: Wir begleiten RAF Camora bei seinem Homecoming mit der Kamera.

Keine Frage: RAF Camora hat es geschafft. Vor knapp einem Jahrzehnt zog er von Wien nach Berlin, da er sich in der deutschen Hauptstadt mehr Möglichkeiten zur Umsetzung seiner musikalischen Visionen versprach. Eine Entscheidung, die sich als goldrichtig erwies. In Deutschland wurde der 33-jährige Rapper zum Star. Ein Star, der nun nach Wien zurückkam, um das größte Konzert eines österreichischen Rappers in Österreich zu spielen (Falco einmal ausgenommen). Ein Star, dessen Musik nicht nur Anerkennung in Form von Chartplatzierungen bekommt, sondern auch durch Respekt von der Szene. Einfach, weil sich RAF Camora nie verstellte oder irgendeinem Trend hinterherlief.

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Die Tür zum Mainstream-Erfolg öffnete sich für RAF Camora jedoch schon etliche Jahre vor dem Umzug nach Berlin, bereits um die Jahrtausendwende hatte ihn ein Majorlabel auf dem Radar. Mit der Folge, dass Family Bizz mit RAF als Mitglied nach Schönheitsfehler und den Waxolutionists die erst dritte österreichische Rapcrew mit Majorvertrag wurde.
Wie beim A$AP Mob: RAF Camora versammelt alle Homies auf der Bühne.

RAF Camora und Homies

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In dieser Pop-Rap-Gruppe mit Reggae-Einschlag, als Äquivalent zur französischen Saïan Supa Crew konzipiert, rappte RAF nicht nur, sondern sang schon damals die überwiegend französischen Hooks (RAF wurde als Sohn italienischer Eltern in der französischen Schweiz geboren, beherrscht die Sprache also seit Kindheitstagen). Der große Angriff auf die Charts mit Family Bizz entpuppte sich jedoch als laues Lüftchen. Der Erfolg blieb aus, die Band löste sich auf. Ein Rückschlag, der sich aber nicht weiter negativ auswirken sollte. Im Gegenteil.

Musik statt Kriminalität

Wie das Family-Bizz-Intermezzo zeigt: Die Nähe zu Reggae war bei RAF Camora seit Anbeginn vorhanden, für einige Jahre konzentrierte er sich gar ausschließlich auf dieses Genre. Erst 2006 begann RAF Camora wieder auf Deutsch zu rappen: Gemeinsam mit Freund Emirez veröffentlichte er die „Skandal“-EP, auf der stilistisch ein komplett anderer Film angesagt war. Darauf weist bereits das Logo von „Skandal“ hin, in dem eine Pistole an die Stelle des „L“ rückt. Die über MySpace veröffentlichte „Skandal“-EP bot musikalisch ein Programm aus harten Synthiebeats mit orientalischen Samples, lyrisch fokussierten sich beide Rapper auf kompromisslose Straßentexte.
Wenig verwunderlich, war die EP Spiegelbild der Lebensumstände, in der sich RAF Camora in Wien-Fünfhaus wiederfand: Der beste Freund lebenslang im Gefängnis, der andere beste Freund abgeschoben. In diesem schwierigen Umfeld entschied sich RAF, anders als viele seiner Freunde, für die Musik. Frühe Wegbegleiter erzählen von einem strebsamen RAF, der stundenlangem Soundtüfteln dem Abhängen im Park vorzog. Eine Entscheidung, die sich letztendlich auszahlen sollte.
Großer Andrang im Dadlerpark. "Werd' ich zum Star mach' ich den Dadlerpark berühmt", rappte RAF Camora 2010 in "5 Haus". Hat er geschafft.

RAF Camora im Dadlerpark

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Einem großen Publikum wurde RAF Camora, der 2007 seinen Linzer Freunden und Ersguterjunge-Signings Chakuza und DJ Stickle nach Berlin folgte, als Featuregast auf Chakuzas Debütalbum „City Cobra“ erstmals bekannt. Auf dem Titeltrack übernahm RAF schließlich, wie sollte es auch anders sein, die französische Hook. Nach dem gleichen Muster erfolgte seine Beteiligung beim zweiten Album Chakuzas, „Unter der Sonne“, wo er auf „Geht nicht“ die Hook singt. Zwei Featureparts, die als außerordentliche Talentprobe galten.
Die Erwartungen auf sein erstes Soloalbum kurbelte RAF Camora zusätzlich mit seinem Mixtape „Therapie vor dem Album“ an, bevor schließlich „Nächster Stopp Zukunft“ erscheinen sollte. Aufgenommen und produziert in einem heruntergekommenen Gebäude in Neapel, erschuf RAF Camora 2009 ein sträflich vernachlässigtes Album, das schon viele Ingredienzien, die ihn zu einem zukünftigen Superstar machen sollten, enthielt – egal, ob es sich dabei um packendes Storytelling wie in „T.R.I.P.“ und „Herr Doktor“ oder um poppig-melodiöse Nummern wie „Winner“ handelte.
„Nächster Stopp Zukunft“ war eine Mischung aus Dancehall/Reggae und Dirty-South-Rap, die man in dieser Form damals selten zu hören bekam. „Nächster Stopp Zukunft“ war eben ungemein eigenständig – und so anders als viele der melancholischen, von traurigen Geigen getragenen Rapalben zu dieser Zeit.

Aus Camora wird 3.0

Diese Eigenständigkeit findet sich auch im folgenden Kollaboalbums mit Nazar, „Artkore“. Egal, ob es sich dabei um zittrige Hi-Hats und gesampelte Bienenschwärme wie in „Killabizz“ oder um die Mischung aus harten Raps und eingängiger Hook wie im Titeltrack handelte. „Artkore“ avancierte zu einem geheimen Deutschrap-Klassiker, wenngleich das kommerzielle Feedback noch zu Wünschen übrig ließ.
An seinen Sound feilte RAF in der Folgezeit kontinuierlich weiter und erfand sich schließlich neu: Das „Camora“ wurde durch ein „3.0“ ersetzt, der Sound näherte sich noch stärker dem Reggae und Dancehall an. Eine kluge Entscheidung, konnte RAF damit seine zu dieser Zeit größten Erfolge feiern. Das selbstbetitelte Album unter seinem neuen Namen sicherte sich einen Platz in den Top10 der deutschen Albumcharts, mit „Roboter“ folgte ein Szenehit. Zudem zeigte RAF darauf keine Angst vor waghalsigen Experimenten, indem er beispielsweise ein Sample aus „Join Me in Death“ von HIM für seinen Track „Fallen“ nachspielte – und damit gar eine völlig unpeinlich klingende, sozialkritische Nummer erschuf – oder für „Lach für mein Twitta“ mit Dubstep-Elementen hantierte.
Zeit für einen kurzen Energieschub.

RAF Camora auf der Bühne

© Matthias Heschl / Red Bull Content Pool

Nach einem zweiten Album unter RAF 3.0, „Hoch 2“, und einem Kollaboalbum mit Chakuza und Joshi Mizu folgte wieder die Rückkehr zum alten Künstlernamen, ohne dabei viel am Sound zu ändern. Das nächste Album„GHØST“ beinhaltete alle typischen Komponenten, die RAFs Musik in den vergangenen Jahren ausmachten: Eingängige Beats mit außergewöhnlichen Samples, Reggae/Dub-Einflüsse sowie französische Hooks. Damit erfand er das Rad nicht neu, sondern schuf ein solides Album innerhalb des RAF-Universum, das jedoch mit „So lala“ den nächsten Livehit aufbieten konnte. Auch wenn sich künstlerisch und kommerziell RAF Camora zu diesem Zeitpunkt längst in Deutschland etablieren konnte: Der nächste große Schritt stand erst bevor.

Die Palmen sind Platin

2016 triumphierte MHD mit seinem Afro-Trap in Frankreich – ein Sound, mit dem RAF Camora etwas anzufangen wusste. Gemeinsam mit 187Strassenbande-Mastermind Bonez MC, wie RAF für seine Jamaika-Affinität bekannt, schloss er sich ins Studio ein und arbeitete an einem Dancehall-Album mit westafrikanischen Rhythmen der Marke MHD. Als die ersten Tracks von „Palmen aus Plastik“ auf dem Openair Frauenfeld präsentiert wurden, fielen die Reaktionen zunächst überraschenderweise zurückhaltend aus.
So richtig verstanden die wenigsten, was RAF und Bonez hier veranstalten wollten. Das änderte sich spätestens nach Release des Albums. „Palmen aus Plastik“ wurde zu einem riesigen Erfolg und bescherte Bonez und RAF Platin- und Goldplatten en masse, ganze 60 (!) Wochen hielt sich das Album in den Top 100 der deutschen Albencharts. „Palmen aus Plastik“ sorgte dafür, dass die Bühnen nun noch größer und RAF zu einem noch gefragteren Künstler wurde, der mittlerweile sogar im Radio lief. An „Ohne mein Team“ kam nämlich keiner vorbei.
#TeamPlatin: RAF Camora umarmt Maxwell von der 187 Strassenbande – im Hintergrund singt Kollege Bonez MC.

#TeamPlatin: RAF Camora, Maxwell & Bonez MC

© Matthias Heschl / Red Bull Content Pool

Diesen Hype nutzte RAF für sein Soloalbum „Anthrazit“, das ebenfalls zu einem wahren Verkaufsschlager mutierte. Seinem Sound blieb er treu – wobei infrage steht, ob er den überhaupt jemals richtig verändert hat. Vielmehr passten sich die Hörgewohnheiten des Deutschrappublikums seinem Sound an, nicht umgekehrt. Denn vieles, was in den folgenden Jahren zu Platin führen sollte, ist bereits auf „Nächster Stopp Zukunft“ vorhanden.

Nächster Stopp: wieder Zukunft

Als Dankeschön für den immensen Erfolg seiner beiden letzten Alben zeigte sich RAF schließlich äußerst spendabel und beschenkte seine Fans in jüngster Zeit zweifach; zunächst mit dem Gratis-Album „Anthrazit RR“, nachfolgend mit einem großen Gratis-Konzert presented by Red Bull Music, das unter dem großen Motto „Homecoming“ stand.
Dass er jemals dieses Konzert spielen würde, war für ihn selbst lange Zeit utopisch: „Die Idee kam recht spontan, dass ich das irgendwann einmal gesagt habe, ohne an die Konsequenzen zu denken. Und dann haben mich die Fans eben darauf festgenagelt. Ich habe das gesagt, also muss ich auch dahinter stehen.“, so RAF Camora gegenüber RedBull.com.
Dabei erwies sich bereits das Vorprogramm des Konzerts, mit Merch-Verteilung im Dadlerpark, vor allem für langjährige Beobachter der Karriere RAFs als beinahe surreal: Hunderte Fans, die sich nach einer kryptischen Instagram-Botschaft sofort auf den Weg in den 15. Bezirk machten. Dutzende Sportwagen, aus denen Tracks wie „Primo“ gefühlt den ganzen 15. Bezirk beschallten. Und Tränen bei jenen, die erst den Weg zum Dadlerpark fanden, als RAF Camora mit dem Red Bull Brandwagen bereits die Location verlassen hat. Szenen, denen man bei einem österreichischen Künstler so selten begegnet.
Ein Meer aus Farben bei der Show von RAF Camora. Alles leuchtet!

Lichtspektakel bei RAF Camora

© Matthias Heschl / Red Bull Content Pool

Das Highlight des Tages dann natürlich der Auftritt in der bis auf dem letzten Platz gefüllten Marx-Halle; dort, wo einige sogar schon am frühen Nachmittag vor der Halle verharrten, um einen Platz in der ersten Reihe zu bekommen.
Das Konzert selbst lässt dann keine Wünsche offen – Performance, Featuregäste (Emirez für die Nostalgiker auf der Bühne!), Publikums-Interaktion, alles auf einem gespenstisch hohem Niveau. RAF Camora scheint jede Sekunde seines Auftrittes zu genießen und gibt gleich ganze sechs (!) Zugaben. Aber wer will es ihm verdenken, hat er solange auf diesen Moment, auf diese tausenden in die Höhe gestreckten Hände, hingearbeitet. Der bisherige Höhepunkt einer bemerkenswerten Karriere – und schwer vorstellbar, dass nicht mehr solche Momente in Zukunft folgen werden.