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Rave, Rave: Street Parade Zürich
© Marius Joe Pohl
Rap 💯
Rap trifft Rave: Von den 80ern bis zum Sound von heute
Breakbeats, House-Vibes und Vollgas-BPM: Rap und Rave sind längst keine Gegensätze mehr. Ein – garantiert unvollständiger – Blick auf ihre gemeinsame Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Autor: Ralf Theil
6 min readPublished on
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2 MinRed Bull Soundclash 2024: Ein Clash zwischen Rap & RaveDer Red Bull Soundclash ist zurück – sei live dabei. Summer Cem & KC Rebell (Team Blau) treffen auf Ski Aggu & 01099 (Team Rot)!
Ansehen
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Die 1980er und Planet Rock

Es hätte alles ganz anders laufen können: In den 1980er-Jahren gibt es nicht wenige Parallelen in der Entwicklung von HipHop, House und Techno. Alle drei Subkulturen entwickeln sich maßgeblich in schwarzen amerikanischen Milieus, reagieren auf urbanen Verfall, strukturelle Benachteiligung und widmen sich Eskapismus und bitterer Realität im Wechsel.
Nicht ganz unwichtig sind dabei die Maschinen: Erschwingliche Drumcomputer und Synthesizer bestimmen für ein paar Jahre alle drei Genres – das gilt auch für Artists wie Cybotron in Detroit oder Frankie Knuckles und Jesse Saunders in Chicago. Aber den Grundstein legt 1982 dieses legendäre und bis heute unverkennbare Stück Electro-Funk:
Besonders in Los Angeles hält sich der Electro-Funk und regiert die Clubs deutlich länger als sonstwo in den USA. Der typische Sound von elektronischen Drum-Machines bestimmt aber auch die erfolgreichsten New Yorker Rap-Platten der nächsten Jahre, zum Beispiel die ersten Hits von Run-DMC (dazu später mehr) und LL Cool J.
Aber spätestens in den Jahren 1987 und 1988, als Sampler erschwinglicher werden, biegt HipHop ab: Funk-, Soul- und Jazz-Samples werden zur Basis einer goldenen Ära, die kaum einen Seitenblick zu Dance-Musik wagt. Wäre da nicht ein Phänomen namens …
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Hip-House

Hip-House ist genau das Crossover-Ding, nach dem es sich liest: HipHop, aber halt auf schnelle House-Beats statt auf gediegenen Boom-Bap. Für ein paar Jahre ist das Subgenre, das 1986 maßgeblich von dieser britischen Beatmasters-Produktion angestoßen wird, überaus erfolgreich und auch etablierte Rap-Crews wie die mächtigen Jungle Brothers stiegen darauf ein. Ihren Hit „I’ll House You“ produziert der New Yorker House-Don Todd Terry.
Der bekannteste Hip-House-Song dürfte aber „It Takes Two“ von Rob Base und DJ E-Z Rock sein, der längst Meme-Charakter hat.
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Hit The (Euro-)Dancefloor: Die 1990er sind da

Hmm, wie fassen wir nur die folgenden paar Jahre zusammen? Zuerst ist da „Pump Up The Jam“ von Technotronic, schon 1989 erschienen und wenn man eine Stunde Null für den nächsten Megatrend sucht, ist es das vielleicht sogar. Aber ausgerechnet aus Frankfurt am Main kommt 1990 dann ein Song, der die Clubs und die Musikindustrie endgültig auf den Kopf stellt.
„The Power“ entsteht an der Schnittstelle von Sampling-Kultur, Dance und der Frankfurter Techno-Szene und postuliert dreist die – schon bald sehr vereinfachte – Hit-Formel, die wir heute Eurodance nennen: Rapper rappt, Sängerin singt und die ganze Disco tanzt. Aber von DJ Bobo, Culture Beat und E-Rotic ist das Snap-Debüt fraglos Welten entfernt. In diesem Song steckt so viel Musikwissen und eine hörbare Sozialisation zwischen House und Public Enemy, dass er völlig zu Recht als absoluter Klassiker gilt.
Ach, und der Rapper Turbo B? Der war schon vorher an der Seite von Moses Pelham einer der Allerersten, die Rap in Deutschland wirklich ernst genommen haben.
Während die Rave-Kultur in England zu einem ganz eigenen Biest wird, ist der kometenhafte Aufstieg von Eurodance mit dafür verantwortlich, dass man in den Neunzigern als Rapper*in tunlichst die Finger von Dance-Musik und Techno lässt, wenn man etwas auf sich hält. HipHop distanziert sich vor allem in Europa so entschieden von diesem Chart-Wahnsinn, dass die Brücken auf Jahre hinweg abgebrochen scheinen.
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Es ist, wie es ist

Im Jahr 1997 bringt ein Überraschungserfolg die beinahe vergessene New Yorker Crew Run-D.M.C. wieder in die Charts: Der Produzent Jason Nevins überholt die ursprünglich 1983 erschienene Single „It’s Like That“ und baut daraus einen minimalistischen Retro-Banger, den man null haten kann, wenn man mal ehrlich ist.
1997 Honorable Mentions: Irgendwas ist los in diesem Jahr – vielleicht ja der schwammig definierte Trend Big Beat? Jedenfalls rappt da auch Kool Keith auf einen großen The-Prodigy-Beat (der allerdings gar nicht so technoid war), Daft Punk zollen auf ihrem Debütalbum „Homework“ (auch) HipHop subtil Respekt und sogar der deutsche DJ-Urvater Westbam winkt zu seiner ersten Liebe rüber.
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Wir sind wieder Rave – Schulterschluss in den Nullerjahren

Irgendwann in den Nullerjahren scheinen die Dämme endgültig zu brechen und an vielen Stellen wirkt es, als wäre es längst überfällig, Rap und Rave wieder zu vereinen – so wie damals, als Q-Tip, genialer Kopf von A Tribe Called Quest, mit den Chemical Brothers crazy geht, während Deichkind mit ihrer vorausschauenden Techno-Rap-Vision zwar einen Hit landen, aber sonst noch ziemlich allein auf weiter Flur stehen.
Nirgends jedoch werden so viele Grenzen gesprengt wie beim Pariser Label Ed Banger aus dem Daft-Punk-Umfeld. Die französische House-Tradition war sowieso schon sehr Sample-affin, aber ab 2007 drehen DJ Mehdi, Justice, Uffie und Mr. Oizo erst so richtig auf und füllen mit New Rave und entschiedener HipHop-Attitüde zuerst die Blogs, dann die Clubs und schließlich die großen Stadien.
DJ A-Trak, damals Tour-DJ von Kanye West, verliebt sich sofort in die neuen Sounds, als Innovation im HipHop gerade eher Mangelware ist – und weiht Kanye ein, der prompt aus Daft Punks „Harder Better Faster Stronger“ seinen Überhit „Stronger“ macht.
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Deutschland, was geht?

Nur in Deutschland ist man noch unentschlossen. Die Ex-Untergrundlegenden Frauenarzt und Manny Marc eskalieren 2009 mit „Das geht ab“, Kool Savas und Olli Banjo steuern wenig später mit „Techno Pilot“ gegen … vielleicht sitzt das 90s-Dance-Trauma ja doch zu tief?
Rückblickend ist es jedenfalls schwer, eine deutsche Entsprechung zu zeitgenössischen Kollabos wie Nicki Minaj x David Guetta oder A$AP Rocky x Skrillex zu finden – nur Marterias „Verstrahlt“ bringt Clubmusik und Deutschrap zaghaft in den Charts zusammen.
Während das wilde Mainstream-Phänomen namens EDM in den 2010ern Gefahr läuft, das Image von Techno, House und Ravekultur global ähnlich zu ruinieren wie einst Eurodance, dominiert hierzulande erst fluffiger und/oder emotionaler Pop- und dann grimmiger Straßenrap. Außer Haftbefehls legendärem „Saudi Arabi Money Rich“-Remix beim Red Bull Soundclash 2015 scheinen die zwei Genres erstmal wieder getrennte Wege zu gehen, zumal das Cloud-Rap-Movement und später die sogenannte New Wave das Tempo noch weiter nach unten schrauben, anstatt voll aufzudrehen. Ein paar augenzwinkernde Dance-Samples, mehr scheint aber nicht drin zu sein – noch nicht.
Aber 2020 ist endgültig Schluss mit der Chillerei – spätestens mit Pashanims „Airwaves“ werden technoide BPM-Zahlen von 120 aufwärts blitzschnell salonfähig und auch mit deutschem Rap immens beliebt. „Inzidance“ von $oho Bani und Longus Mongus, „Nachts wach“ von Makko und Miksu/Macloud, aber auch Tarek K.I.Z und Drunken Masters oder Fatoni und Dexter fühlen ihn, den Uptempo-Vibe.
Platzhirsch und Prodigy-Fanboy Marteria widmet dem Rave gemeinsam mit DJ Koze sogar ein ganzes Album – seine „5. Dimension“ trieft geradezu von Club-Referenzen und elektronischen Sounds.
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Gegensätze ziehen sich an – der ultimative Clash?

Beim Red Bull Soundclash stehen sie sich also gegenüber – zumindest stellvertretend: Summer Cem und KC Rebell mit je zwei Jahrzehnten Straßenrap-Erfahrung und einer tiefen HipHop-Sozialisation treffen auf Ski Aggu und 01099, die einige der erfolgreichsten Rap-Rave-Hymnen der letzten Jahre auf dem Kerbholz haben. Und wer weiß – vielleicht endet das alles ja in der Erkenntnis, dass sie eben doch kompatibel sind, die einst so verwandten Genres Rap und Rave mit ihren bewegten Geschichten? Dass Musik imstande ist, alle Grenzen zu überwinden, hat sie jedenfalls oft genug eindrucksvoll bewiesen.
Rap 💯
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