Rap 💯
Wer in diesen Tagen vom ersten Tomorrowland-Wochenende aus Belgien zurückkehrt, wird zurecht vom Sommer seines Lebens sprechen und steht gleichzeitig vor zwei Herausforderungen. Kein Mitbringsel aus dem Shop, kein Selfie vor der Mainstage, ja nicht einmal ein Video mitten aus der Crowd kann die ganze Breite an Emotionen transportieren, die ihr dort erlebt habt und jetzt liebend gerne mit euren Freunden teilen möchtet. Problem Nummer zwei: Fast jedes andere Festival wirkt fortan wie ein Kindergeburtstag.
Glücklicherweise geht das - beim einen etwas schneller, bei manchen etwas langsamer - wieder vorbei. Wer will euch diese Denkweise auch verübeln? Abiturienten, die 2019 ihre Zeugnisse in den Händen halten, kennen im Grunde nur eine (Musik)-Welt, in der Tomorrowland jährlich über 300.000 Besucher aus 200 Ländern anzieht und zum 15-jährigen Jubiläum sogar in einem Atemzug mit dem legendären Woodstock genannt werden muss. Die Wahrheit: Absehbar war die Tomorrowland-Erfolgsgeschichte in den ersten Jahren keineswegs.
2005 - 2007: Ein lockerer Szenetreff
Seine Geburtsstunde feiert das Tomorrowland am 17. August 2005. Ja, das Line-Up (u.a. Armin van Buuren, David Guetta) war schon vor 15 Jahren hochkarätig besetzt. Nein, die Aufnahmen von der Mainstage sind kein Fake. Knapp 10.000 Fans tummeln sich vor einer Bühne im schlichten Look, die nicht mal halb so lang ist wie die heutige. Ein gemütlicher Treff der Elektro-Szene aus Belgien und den Niederlanden eben, der 2007 zumindest auf zwei Tage (20.000 Besucher) ausgeweitet wird. Die Ticketpreise damals: Schlappe 75 Euro inklusive Camping!
2008 - 2011: Suche nach Identität
Das Festival bekommt mit 50.000 Besuchern und über 100 DJs den ersten großen Push. Nach der zauberhaften Märchenwelt im Nationalpark de Schorre, bestehend aus Natur, Wasser und verschiedenen Fabelwesen, sucht ihr im Aftermovie aber (noch) vergeblich. Erst 2010 kreieren die Bühnenbauer die erste Tomorrowland-Mainstage mit Eyecatcher-Elementen und lassen dabei die Detailverliebtheit sowie Extravaganz erkennen, die dem Festival mal ihre unvergleichliche Identität geben werden.
2012 - 2014: Der doppelte Peak
Zwar geht Tomorrowland schon 2011 erstmals über ein ganzes Wochenende (180.000 Besucher), als Durchbruch gilt jedoch das Jahr 2012. Warum ausgerechnet 2012? Es lässt sich am ehesten damit erklären, dass zwei Trends (Open Air Events / Electronic Dance Music) in etwa zur gleichen Zeit ihren Peak erreichten und sich dann kreuzten. Star-DJ Axwell dropped mit „In my Mind“ eine der DER Festival-Hymnen dieses Jahrzehnts. Nicht zu vergessen: Das wichtigste Marketing-Instrument der Veranstalter! 157 Millionen Klicks auf das Tomorrowland Aftermovie 2012 sind bis heute unerreicht und sorgen fortan dafür, dass sich zig Millionen EDM-Fans eine Ticketschlacht liefern müssen. Um den Ansturm zu befriedigen, gehen Tomorrowland-Ableger in Brasilien und den USA an den Start.
2015 - 2018: Architektonische Wunder
Bis 2016 kann das Festival fünfmal in Folge den International Dance Music-Award abräumen. Mehr noch: Es entsteht eine Mischung aus globaler Marke und einem One World-Gefühl. Die Ausnahmestellung spiegelt sich im Line-Up, den besonderen Ticket-Boxen sowie den weiter wachsenden Stages wieder. Manche sind nur per Boot zu erreichen, andere längst zu architektonischen Wunderwerken mutiert. Vom überdimensionalen Baum des Lebens, über ein Zirkus-Zelt („Amicorum Spectaculum“) entführte uns Tomorrowland im Jahr 2018 schließlich in eine magische Unterwasser-Welt mit Korallen, Muscheln und einem majestätischen Seepferdchen als Herzstück.
2019: Neue Jahreszeit und Trends
Tomorrowland schon im Frühjahr! Zum 15-jährigen Jubiläum expandieren die Veranstalter ins Skigebiet Alpe d'Huez. Bei Eis und Schnee feiern 30.000 hartgesottene Fans zu den Sounds von No. 1-DJ Martin Garrix sowie Dimitri Vegas & Like Mike oder Steve Aoki. Für das reguläre Event in Belgien wird derweil das beliebte Book of Wisdom-Motto von 2012 recycelt - gewürzt mit neuen musikalischen Trends! Erstmals legen mit Coone und dem norwegischen Duo Da Tweekaz zwei Hardstyle-Acts auf der Mainstage auf und schrauben die BPM-Zahl gewaltig nach oben. Es versteht sich von selbst, dass andere EDM-Festivals dieser Entwicklung folgen.
Von 2005 an benötigte Tomorrowland acht Jahre, um den Festival-Olymp zu erklimmen. Viel spricht dafür, dass sich das Festival dort in Zukunft halten kann. Wie könnten wir diese Erfolgsstory besser abrunden als mit den allen TML-Jüngern bestens bekannten Worten des mystischen Erzählers: „People of Tomorrowland - at the End of July...“ Bis 2033 wohl stets an zwei Wochenenden.