Radprofi Toni Palzer im Trainingslager in Österreich.
© Helge Roeske / Red Bull Content Pool
Bike

Rennrad Fahrtechnik: Diese Basics bringen dir den Flow

Wir helfen dir, eine aerodynamische Körperhaltung auf dem Bike und die ideale Fahrlinie in Kurven zu finden. Und für unsere Kletterfreunde: Watt-Saver-Tipps am Berg!
Autor: Ludwig Bestler
7 min readveröffentlicht am
Das Rennradfahren ist der schnellste Style, sein Fahrrad zu fahren. Dünne Reifen, Material aus Carbon, also im Prinzip das komplette Equipment wurde so getrimmt, dass ein geringes Gewicht und maximale Performance einhergehen. Auf der Straße liegt es jedoch an dir, mit möglichst wenig Power so schnell und gleichzeitig so sicher wie möglich unterwegs zu sein.
Dort, wo du noch struggelst, setzen unsere Rennrad Profi Tipps an. Verbessere deine Fahrtechnik und spüre - egal ob bergauf oder auf einer rasanten Abfahrt - den Flow auf dem Bike.
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Die richtige Haltung auf dem Rennrad

Die Basis für ein sicheres Gefühl auf dem Rennrad (lerne hier die verschiedenen Bike-Typen kennen) und einen ökonomischen Tritt ist die richtige Haltung auf deinem Bike. Um die richtige Position zu finden, solltest du die drei Kontaktpunkte zwischen Mensch und Maschine im Blick haben:

Deine Hände

Im Grunde hast du drei verschiedene Greif-Optionen für deine Hände. Die meiste Zeit bleiben diese an den Brems-/Schalthebeln. So kannst du immer schnell reagieren, schalten oder bremsen. In dieser Position solltest du ein sehr angenehmes, relaxendes Gefühl haben. Am Berg oder in übersichtlichen Flachpassagen kannst du an den geraden Oberlenker-Bereich greifen. Du wirst sofort merken, dass sich dein Oberkörper aufrichtet und auch deine Haltung entspannter wird. Außerdem kannst du hier für eine optimale Kraftübertragung gut am Lenker ziehen. Die dritte und schnellste Option ist die Unterlenkerposition: Dein Oberkörper ist dann recht deep positioniert, du bist am aerodynamischsten.

Dein Becken und Rücken

Wenn dein Becken richtig angewinkelt ist, entspannt sich der Rücken. Eine zu sportliche Sitzposition, bei der Becken und Oberkörper weit nach unten geneigt sind, erschwert das Bike-Handling. Je aufrechter du sitzt, desto besser ist auch deine Verkehrsübersicht.

Deine Füße und Beine

Wenn das jeweilige Pedal den tiefsten Punkt erreicht hat, sollte das entsprechende Bein fast komplett gestretcht sein. So hast du einen perfekten Hebel und kannst effizient treten. Bei der Fußstellung im Pedal ist wichtig, dass deine Knie nicht nach innen oder außen stehen. Je gerader deine Füße auf dem Pedal stehen, desto mehr werden deine Kniegelenke geschont.
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Richtig treten – der „Runde Tritt“

Anton Palzer fährt vor Chris Froome.

Etwas knifflig, aber umso effizienter: Der Runde Tritt in der Praxis.

© BettiniPhoto©2021

Dank der Klickpedalen bist du fest mit dem Rennrad verbunden. Der Vorteil: du kannst drücken UND ziehen! So lässt sich „theoretisch“ während der kompletten Kurbelumdrehung Power aufs Rennrad übertragen. Theoretisch deshalb, weil dieses Movement ebenso komplex wie anstrengend ist. Deshalb erleben wir in der Praxis einen kompletten „Runden Tritt“ eher selten. Es lohnt sich dennoch, an seiner Trettechnik zu arbeiten. Es bringt nämlich schon einen deutlichen Vorteil, wenn du es schaffst, die beiden Totpunkte bei der Kurbelumdrehung zu überwinden. Here you go: Das eine Bein nach hinten und das andere nach vorne durchziehen - immer dann, wenn die Kurbelarme senkrecht zum Boden stehen.
Rookie Tutorial: Du kannst das Überwinden des Totpunkts bei der Kurbelumdrehung ganz easy trainieren. Suche dir dafür eine leicht ansteigende Gerade, klicke während der Fahrt mit einem Fuß aus und trete nur mit dem anderen Bein. Auf diese Weise kannst du das Drücken und Ziehen während des kompletten 360-Grad-Turns üben. Zähle dabei die Umdrehungen mit und repeate den Vorgang mit der gleichen Umdrehungsanzahl später mit dem anderen Bein. So stellst du sicher, dass beide Beine gleichmäßig trainiert werden. Dass die Strecke dabei Traffic-frei sein sollte, versteht sich von selbst. Weiterer Sicherheitshinweis: das Bein, das Pause hat, solltest du nach hinten oder außen wegstrecken.
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Die richtige Kurventechnik

Ein Radprofi von BORA-hansgrohe lenkt in die Kurve ein.

Einlenken am Scheitelpunkt: So nimmst du die Kurve perfekt.

© Sprint Cycling Agency

Du fühlst dich mit dem Bike auf geraden Strecken und in der Ebene wohl? Dann lass uns nun an der Kurventechnik feilen. Einer der wichtigsten Anti-Sturz-Tipps vorab: das Pedal, das der Kurve zugewandt ist, muss oben stehen. Wenn du dich in die Kurve neigst, steigt das Risiko, mit dem Pedal auf dem Boden aufzukommen. Worst Case: Du hebelst dich aus. Für deine Fahrtechnik ist entscheidend, wie und wann du bremst, welche Fahrlinie du wählst und last but not least: Wie verlagerst du den eigenen Körperschwerpunkt?

Die ideale Fahrlinie

Wenn du eine Kurve anfährst, positioniere dich zuvor ganz außen auf der Fahrbahn. Am Scheitelpunkt der Kurve lenkst du - natürlich nur, wenn es der Verkehr auch zulässt - in Richtung Mittelstreifen, um dich danach wieder nach außen an den Fahrbahnrand driften zu lassen. Mit dieser Fahrlinie wird nicht nur die Kurvenneigung etwas entschärft. An dieser Stelle kommt dann der versprochene Flow ins Spiel, weil du die Kurve mit mehr Speed nimmst.

Richtig bremsen

Wer richtig bremst, gewinnt - und zwar an Tempo. Gebremst wird vor und nicht in der Kurve. Der Grund: Sobald du in der Kurve (also wenn dein Rad geneigt ist) zu stark bremst, erhöht sich die Grip-Belastung für deine Reifen - sogar so stark, dass du wegrutschen kannst! Du musst also ein Mindset dafür entwickeln, wie schnell du eine bestimmte Kurve nehmen solltest. Und dann: anbremsen und spätestens am Scheitelpunkt der Kurve den Brake-Hebel wieder loslassen. Grundsätzlich solltest du mit beiden Bremsen gleichzeitig bremsen.

Den Körperschwerpunkt richtig einsetzen

Je tiefer dein Körperschwerpunkt ist, desto besser ist es für deine Kurvenlage. Die einfachste Möglichkeit, um deinen Körperschwerpunkt zu verlagern, führt über die Griffposition am Lenker. In Unterlenkerposition ist dein Oberkörper automatisch tiefer. Um den Anpressdruck auf deine Reifen vorteilhaft zu beeinflussen, solltest du zusätzlich mit deinem Körper gegen die Kurve arbeiten. Will heißen: Mit dem kurvenabgewandten, also gestreckten Bein den Druck aufs Pedal erhöhen.
Tipp: Schaue immer dorthin, wo du auch hinfahren möchtest. Wenn du das Ende der Kurve anvisierst, zieht es dich automatisch in diese Richtung.
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Richtig bergabfahren

Die Abfahrt ist meistens die verdiente Reward nach einem knackigen Anstieg. Damit du sie genießen kannst und den Reiz des Rennradfahrens - die Geschwindigkeit - ganz Safety first-like erfährst, muss einiges beachtet werden. Bergab sollten deine Hände stets an den Bremsgriffen sein, um schnellstmöglich reagieren zu können. Fahre vorausschauend, gehe kein Risiko ein und sei dir immer eines bewusst: Du bist nicht allein auf der Straße.
In der Abfahrt, also bei höheren Geschwindigkeiten, gewinnst du an Stabilität, wenn du möglichst kompakt auf dem Bike sitzt. Ein tiefer Körperschwerpunkt ist vorteilhaft für deine Kurvenlage. Bleib demzufolge immer auf deinem Sattel sitzen - die aerodynamische Super-Tuck-Position ist nicht ohne Grund bei allen Rundfahrten oder Klassikern des Weltradsportverbands UCI verboten. Auch andere windschlüpfrige Haltungen fallen unter die Don’t-Kategorie, solange du dich nicht zu 100 Prozent sicher auf deinem Bike fühlst.
Nice to know: Bei der Super-Tuck-Position sitzt der Fahrer nicht auf dem Sattel, sondern auf dem Oberrohr. Die Körperhaltung ist also sehr kompakt und tief, wodurch sich die Aerodynamik verbessert. Gleichzeitig verschlechtert sich aber auch das Bike-Handling und die Reaktionsfähigkeit – das Sturzrisiko erhöht sich. Seit dem 1. April 2021 ist diese Haltung bei UCI-Rennen verboten.
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Richtig bergauffahren

Ein Radprofi von BORA-hansgrohe fährt den Berg hoch.

Der Wiegetritt bei längeren Anstiegen entspannt die Muskulatur.

© Sprint Cycling Agency

Kraft und Ausdauer musst du dir selbst antrainieren, um schneller bergauf zu fahren. Aber auch die richtige Fahrtechnik verbessert die Performance am Berg. Dazu gehört eine ruhige Oberkörperhaltung. Viele Bike-Rookies neigen dazu, mit dem Oberkörper hin und her zu wippen - ein Energie-Killer! Versuche die ganze Power über die Beine auf dein Rad zu übertragen. Hierfür entscheidend: Ein ökonomischer Tritt, bei dem du beide Totpunkte bei der Kurbelumdrehung (Kurbelstellung senkrecht zum Boden) effizient überwindest - siehe Chapter der „Runde Tritt“.
An langen Anstiegen kannst du zwischen der sitzenden Position und dem sogenannten Wiegetritt (im Stehen) wechseln. Dadurch entlastet die Muskulatur und du wirst einen Hauch von „Entspannung“ spürst. Recovern kannst du auch in Kurven, vor allem in Serpentinen. Letztere sind so angelegt, dass sie an der Außenseite flacher sind als Innen. Profis wie Toni Palzer von Red Bull - BORA - hansgrohe sprechen hier gerne von „Watt-Savern“.
Technik-Tipp: Wenn du bergauf den Gang wechselst, solltest du beim Gear Shift kurzzeitig etwas Druck vom Pedal nehmen. Das schont deine Kette und Kassette.
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Richtig im Wind und Windschatten fahren

Toni Palzer vom BORA-hansgrohe fährt an der Spitze der Gruppe.

Alle hinter Toni Palzer: Windschattenfahren bei Red Bull - BORA - hansgrohe

© SprintCyclingAgency

Bist du in einer Gruppe unterwegs, kannst du dich bei Gegenwind hinter deiner Begleitung verstecken. Die Vorausfahrenden wirken quasi wie ein Schutzschild und schwächen den Wind für dich ab. Sobald sich die Wind- oder eure Fahrtrichtung ändert, musst du wiederum deine Position anpassen.
Die ideale Windschattenpositionen:
  • Wind frontal: Position direkt hinter den Vorausfahrenden
  • Wind von links vorne: Position leicht rechts versetzt hinter den Vorausfahrenden
  • Wind von rechts vorne: Position leicht links versetzt hinter den Vorausfahrenden
Heads Up: Bei miesem Wetter ist grundsätzlich erhöhte Vorsicht geboten. Starker Seitenwind oder Böen können dir ins Front-Rad wehen, sodass sich das Rennrad dann schwerer kontrollieren lässt.